Editorial »Mexiko verstehen« Enrique Peña Nieto, bis 2018 Präsident von Mexiko, sah sein Land als eine der führenden »emerging powers«, als einen jener wirtschaftlichen Aufsteiger, ohne die die Großen der Weltpolitik nicht erfolgreich agieren könnten. Die gegenwärtige Regierung scheint andere Prioritäten zu haben: Mexiko hat sich aus seiner internationalen Rolle zurückgezogen. Die Außenpolitik des derzeitigen Präsidenten López Obrador folgt nationalen Entwicklungsprioritäten und seinem Wahlspruch: »Die beste Außenpolitik ist die Innenpolitik«. Doch gerade da gibt es – neben der Coronapandemie – jede Menge Probleme: Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind riesig, die Bekämpfung der Drogenkriminalität und der Drogenkartelle kommt nicht voran, Politik und Justiz sind bis in hohe Instanzen von organisierter Kriminalität unterwandert. Und die Forderungen mexikanischer »indígenas« nach mehr Rechten und Respekt gegenüber ihrer Kultur, nach Verbesserung ihrer miserablen Lebensbedingungen sind bislang unerfüllt geblieben. Der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes sagte einst über sein Land, man könne es nicht beschreiben, an Mexiko müsse man glauben, gemischt mit Wut, Leidenschaft, Enttäuschung. Und Sandra Weiss, die Redakteurin des Magazins, ergänzt: »Mexiko ist ein Land, das immer einen Schritt vor dem Abgrund zu tanzen scheint und einen schwindeln lässt.« Trotzdem versuchen die mexikanischen und europäischen Autorinnen und Autoren in diesem Magazin, dieses Land voller Widersprüche und voller Vielfalt verständlicher zu machen. Sie berichten über uralte Kultstätten und zauberhafte Landschaften – aber vor allem auch darüber, wie es sich dort lebt. Sie erzählen von den Menschen und ihren Gewohnheiten, vom Kampf mit den Alltagsproblemen, von Liebe und Freundschaft – von Menschen, die kennenzulernen sich lohnt. Dietlind von Laßberg