Eine schier endlose Liste von Namen werden Sie im Anhang dieser Publikation finden: rund 700 Namen von Frauen und über 600 von Männern. Es sind die Namen jener Frauen und Männer, die unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in den beiden Außenlagern des KZ Buchenwald in Mühlhausen am Stadtwald und am Wendewehr gefangen gehalten, ausgebeutet, gequält, gedemütigt wurden. Etliche überlebten das Martyrium nicht – hier, in unserer Stadt, oder andernorts. Und die Überlebenden trugen schwer an den Folgen, körperlich und seelisch. Mit der vorliegenden Publikation wird ihre Geschichte geschrieben. Sie soll dazu beitragen, diesen weit über 1.300 Frauen und Männern ihre Würde zurückzugeben. Zu verdanken ist dieses Werk der Forschungsleistung von Dr. Marc Bartuschka. Von 2020 bis 2022 hat er viele bisher unbekannte Quellen erschlossen und zahlreiche Zeitzeugenberichte ausgewertet, wodurch das schon Bekannte noch einmal in großem Umfang ergänzt werden konnte. Der fachlich bestens ausgewiesene Jenaer Historiker hat dabei nicht nur die Geschichte der beiden KZ-Außenlager, sondern darüber hinaus auch die Ausbeutung durch Zwangsarbeit während der NS-Zeit jenseits der Stacheldrahtzäune in Mühlhausen aufgearbeitet. Mit diesem Sonderband der Mühlhäuser Beiträge legt er der Öffentlichkeit die Ergebnisse seiner Forschungen in einer tiefgründigen Studie vor. Die Details über den Häftlingsalltag, die Einblicke in die perfiden Strukturen und das Mitmachen so vieler, das Greifbarmachen einzelner Schicksale, sind schmerzhaft, führen sie doch Seite für Seite vor Augen, wie allgegenwärtig der Einsatz von ausländischen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen auch in unserer Stadt war. Die vorliegende Untersuchung verdankt ihre Entstehung der maßgeblichen finanziellen Förderung durch den Freistaat Thüringen sowie der Unterstützung durch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, des Stadtarchivs Mühlhausen, des Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegevereins und zahlreicher weiterer Institutionen und Personen. Damit liegt nunmehr nicht zuletzt auch eine lückenlose Dokumentation der Geschichte des KZ-Außenlager-Standorts am Mühlhäuser Stadtwald nach 1945 vor, dem sogenannten „B-Lager“. In der erinnerten Geschichte der Mühlhäuser Bürgerschaft wird mit diesem Ort vor allem die langjährige Nutzung durch die NVA und nach der Wiedervereinigung als Flüchtlingsunterkunft verbunden, bevor das Areal durch den Bund an einen privaten Investor verkauft wurde. Dass hier von den Nationalsozialisten jüdische Frauen eingesperrt und ausgebeutet worden waren, war in weiten Teilen der Bevölkerung hingegen nicht präsent. Offenkundig wurde das, als das Gelände Anfang 2019 als Standort für das „1. Deutsche Bratwurstmuseum“ vorgestellt wurde. Dies löste national und international Empörung aus und auch wir als Stadt Mühlhausen mussten anerkennen, in diesem Punkt unsensibel gewesen zu sein. Die Pläne wurden daraufhin korrigiert und als Lehre aus den Entwicklungen die umfassende historische Aufarbeitung in Auftrag gegeben. Mit der vorliegenden Abschlussdokumentation tritt die gesamte Geschichte des „B-Lager“ genannten Ortes viel deutlicher vor Augen und das wird in der weiteren Diskussion zum Umgang mit dem Gelände heute weiterhelfen. Informationen erhält man nun auch vor Ort, am Stadtwald und am Wendewehr, wo neue Stelen über die beiden ehemaligen Mühlhäuser KZ-Außenlager informieren. Das viel weiterreichende Anliegen dieser Publikation ist jedoch, das neu gewonnene Wissen in die Bürgerschaft zu tragen, zu neuer Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Stadtgeschichte anzuregen und damit die in Mühlhausen lebendige Erinnerungskultur weiter zu stärken.