Zum Buch:
Ein heißer, trockener Sommer in Irland. Statt mit seiner Tochter nach der Messe nach Hause zu fahren, bringt der Vater sie zu entfernten Verwandten, die im tiefen Süden der Insel leben. Die mit dem unzuverlässigen Mann, dem Haushalt und den anderen Kindern überforderte Mutter ist wieder einmal schwanger, das Mädchen ist im Wege. So wird das Kind bei ihm fremden Menschen abgegeben, ohne zu wissen, wann und ob es wieder abgeholt wird.
Das verschüchterte Mädchen, das wenig spricht, aber umso aufmerksamer beobachtet, kommt auf der Farm der Kinsellas in eine Welt, in der nicht ständiger Mangel herrscht – weder an Nahrung und Kleidung noch an Aufmerksamkeit und Zuwendung. Man spricht miteinander und berührt sich, es gibt eine Badewanne und ein eigenes Kinderzimmer. Das Mädchen, von dem man weder das genaue Alter noch den Namen erfährt, beginnt, sich zu öffnen, gewinnt Zutrauen, wird selbstsicherer und lernt nicht nur, sich zu äußern, sondern auch, wann es besser ist zu schweigen. Sie hilft Ms. Kinsella im Haushalt, beim Putzen und Backen, die beiden kochen Obst ein und abends gehen sie zum Brunnen auf dem Gelände der Farm, dessen Wasser ganz besonders rein ist und der etwas Verzaubertes hat. Aber auch hinter der freundlichen Atmosphäre dieses Hauses und der Menschen verbirgt sich ein Geheimnis und das Mädchen spürt, wie fragil das Glück dort ist …
Die Geschichte wird in einer ungewöhnlichen Form erzählt: Wortwahl und Satzbau des Textes sind die einer erwachsenen Person. Als Ich-Erzählerin fungiert jedoch das Mädchen, und sie spricht in der Gegenwart. Thematisiert wird dieser Bruch nicht, und das Ende bleibt offen oder zumindest doppeldeutig. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, dass sich für das Kind alles zum Guten gewendet haben könnte.
Die irische Autorin Claire Keegan ist für ihre Kurzgeschichten mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Für die knapp einhundertseitige Erzählung Das dritte Licht hat sie den renommierten Davy Byrnes Irish Writing Award erhalten; der New Yorker kürte den Text zur besten Erzählung des Jahres. Keegan ist eine Meisterin der Verknappung. Ein halber Satz, eine kurze Bemerkung reichen, um eine Person oder Situation zu charakterisieren, um Hintergründe und Motive der Figuren zu erläutern. Den ganzen Text durchzieht eine Ambivalenz. Vieles wird nur angedeutet oder beiläufig erwähnt. Hier ist kein Wort zu viel oder am falschen Platz – es ist, als würde an einem Stein so lange herumgeschliffen, bis ein funkelnder Kristall entsteht.
Ruth Roebke, Frankfurt a.M.