»Ich werde plötzlich geweckt. Ines steht an meinem Bett. Warum? Es ist doch stockduster draußen. ›Steh auf, wir haben Hochwasser, überall ist Wasser.‹ Ich bin sofort auf den Beinen, bin hellwach. Ein kurzer Blick aus dem Fenster bringt nicht viel, es ist zu dunkel, ich sehe kaum etwas. Es ist beängstigend still, anders als sonst, es ist eine schwere Stille trotz einiger Geräusche, die nicht in die Nacht gehören. Es wälzt sich etwas Braunes, etwas Stinkendes vor dem Fenster entlang. Ein dreckiger Strom fließt durch das, was mal eine Straße gewesen ist. Wir sind eingeschlossen und das Wasser steigt. Ein Auto schwimmt mit Licht an uns vorbei, gleich darauf folgt ein zweites. Es ist gespenstisch, es ist unfassbar. Sind das unsere Autos? Es ist genau jetzt, in diesem Moment, in dem etwas mit mir passiert: ich spüre nichts, ich empfinde nichts. Irgendwo ist da gerade ein Schalter umgeschaltet worden. Da ist weder Angst, noch Panik, da ist nur Leere. Umso mehr ich realisiere, dass wir eingeschlossen sind in einer stinkenden Kloake, abgetrennt von der Außenwelt, umso mehr ist rein gar nichts mehr in mir.« Ute Raschpichler-Saad berichtet in ihrem sehr persönlichen Buch über die Nacht der Flutkatastrophe, in der ihr Haus und ihre Nachbarschaft verwüstet werden, während auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Haus der Lebenshilfe Sinzig gar zwölf Menschen in den Fluten sterben müssen. Sie nimmt uns mit in jene Wochen und Monate des Sommers 2021, nach denen nichts mehr so ist, wie es einmal war.