Die Schrift aus dem Nachlass Nietzsches zeugt von der Neigung des jungen Philologen zur Philosophie. Als Teil eines umfassenden Buchs des Altertumskundlers über die griechische Antike blieb es allerdings ein Fragment. Zunächst aus Aufzeichnungen zu Vorlesungen und als Frucht der Beschäftigung des jungen Basler Professors mit den platonischen Dialogen und den vorplatonischen „Philosophenköpfen”entstanden, wurde es im Zuge der Reverenz zu Richard Wagner einem Nebenstück der „Geburt der Tragödie”, trug zugleich aber schon den Keim zur Distanzierung vom Wagner-Kreis in sich. Nietzsche selbst betont, dass er kein erschöpfendes Brevier über die Vorsokratiker vorlege. Mit der vielleicht wichtigsten Fähigkeit aber, einem denkerischen Einfühlungsvermögen, bringt er die fremden Gestalten und Spekulationen der Vorsokratiker in eine berückende persönliche Nähe. In seiner Musikalität einer aktualiserenden Deutung der Denkmotive und Intuitionen gibt er wichtige, ja für jedes heutige Denken, für unsere Existenz, tragende Hinweise. „Dieser Versuch, die Geschichte der älteren griechischen Philosophen zu erzählen, unterscheidet sich von ähnlichen Versuchen durch die Kürze. Diese ist dadurch erreicht worden, daß bei jedem Philosophen nur eine ganz geringe Anzahl seiner Lehren erwähnt wurde, also durch Unvollständigkeit. Es sind aber die Lehren ausgewählt worden, in denen das Persönliche eines Philosophen am stärksten nachklingt, während eine vollständige Aufzählung aller möglichen überlieferten Lehrsätze, wie sie in den Handbüchern Sitte ist, jedenfalls Eins zu Wege bringt, das völlige Verstummen des Persönlichen. Dadurch werden jene Berichte so langweilig: denn an Systemen, die widerlegt sind, kann uns eben nur noch das Persönliche interessiren, denn dies ist das ewig Unwiderlegbare. Aus drei Anecdoten ist es möglich, das Bild eines Menschen zu geben; ich versuche es, aus jedem Systeme drei Anecdoten herauszuheben, und gebe das Uebrige preis.”