In der Streitschrift „Moral“ – Originaltitel: „Zur Genealogie der Moral“ (1887) – widmet sich Friedrich Nietzsche in einer Vorrede und drei Abhandlungen der Entstehungsgeschichte unserer für edel und gut gehaltenen moralischen Urteile. Dabei scheut er sich nicht vor unbequemen Wahrheiten und taucht tief in die Triebschichten der menschlichen Grausamkeit ein. Denn genau dort sieht Nietzsche den Ursprung unserer Moral: Der „Wille zur Macht“ – wie Nietzsche unsere Triebe umschreibt – bestimmt unser moralisches Handeln. Dieser Text wurde ein wenig gekürzt, um Fußnoten ergänzt sowie in Rechtschreibung und Zeichensetzung den aktuellen Gegebenheiten angepasst und in der Sprache etwas modernisiert. Diese Erkenntnis stört dabei nicht nur unser traditionelles Schubladendenken von „Gut“ und „Böse“, sondern bringt unsere bisherige Vorstellung von Moral und Recht durcheinander. Gleichzeitig bereitet Nietzsche mit seiner Streitschrift eine befreiende Therapie vor, die uns einen neuen Blickwinkel auf unsere Werturteile sowie unser Rechts- und Gesellschaftssystem verschafft. Was bleibt von den moralischen Werten, nachdem uns Nietzsche in die Abgründe der Herkunftsgeschichte von „Gut“ und „Böse“ geführt hat? Mit der Streitschrift „Moral“ möchte der damals noch unbekannte Nietzsche in 70 kleinen Kapiteln endlich gehört werden. Das Ergebnis sind provokante Thesen, die jedoch einer unerbittlichen Logik folgen und mit ihrer glanzvollen Rhetorik bestechen.