Ethiken gibt es wie Sand am Meer. Viele erzählen das Märchen von den Leidenschaften, die es mit Hilfe der Vernunft zu besiegen gilt. Nicht so Adam Smith! Er ist davon überzeugt, daß die Basis unseres Handelns in unserem komplexen Gefühlshaushalt verankert ist. Aber Gefühle ignorieren die Argumente der Vernunft. Es sind unsere Bedürfnisse, unsere Neigungen, die damit verbundenen Emotionen, die unser Handeln bestimmen und damit auch die Ethik. Smith ist „sentimentalist“, ein genialer Illustrator menschlicher Gefühle, ihrer Stärken, ihrer Schwächen. Adam Smith war ein nüchterner, erfahrener und praxisorientierter Beobachter menschlichen Verhaltens. Er thematisierte nicht nur die akzeptierten Gefühle, Neigungen und Affekte, sondern auch all die Perversionen und Verdrehungen, die menschliches Fühlen begleiten und unser Handeln bestimmen. Daraus resultieren zahlreiche Paradoxa: etwa das der kritiklosen Bewunderung der Reichen und Mächtigen durch die Massen, obgleich dieser Selbstbetrug die Stabilität einer Gesellschaft garantiert oder: die Betonung edler Motive, die unser Handeln leiten sollten, obgleich letztendlich nur der schiere Erfolg zählt. Adam Smiths Ethik, seine „Theorie der ethischen Gefühle“, ist nicht nur eine Fundgrube für individualpsychologische Einsichten, sondern auch für sozialpsychologische und politische. Diese Einsichten sind aktueller, wirklichkeitsnäher, nützlicher und menschlicher als so manches „moralinsaure“ Gesülze rein akademischer Ethiken.