Der Schweizer Schriftsteller Albert Steffen (1884 - 1963) ist heute als Dichter nahezu unbekannt. Nur wenige Zeitgenossen dürften seinen Namen kennen und noch wenigere Leserinnen und Leser etwas mit seinem Werk verbinden. Das ist erstaunlich, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt Steffen durchaus als ein vielversprechender Stern am Literaturhimmel. Rilke etwa schreibt: Seine Feder ist eine der wenigen ganz verantwortlichen und reinen, ich möchte nichts versäumen, was aus ihr hervorgeht. Nachdem sich Steffen öffentlich der Anthroposophie zugewandt hatte, war es um seine literarische Reputation geschehen. Sein dichterisches Werk galt fortan nurmehr als ein abstrakter Versuch, anthroposophische Gedanken in eine poetische Form zu kleiden. Aber so eindimensional ist die Sache nicht. Am Beispiel von Steffens Roman Die Bestimmung der Rohheit soll der Versuch gemacht werden, das Verhältnis von Poesie und Erkenntnis im Leben und Werk des Dichters neu für unsere Gegenwart zu verorten.