Das Europa der EU gilt oft als eines, das mit "dem wirklichen Leben der Menschen" nichts zu tun hat. Auch die Kommunikationswissenschaft betrachtet Europa meist in einer Perspektive von oben, während der kommunikative Alltag von Menschen kaum in den Fokus gerät. Welche Rolle aber spielen Identifikationsangebote wie Region oder Nation und wie verhalten sich diese zu "Europa", wenn Menschen in hochgradig mobilen und vernetzten Gesellschaften leben, an die Massenkommunikationsbestände der Welt Anschluss finden können, und permanent mit potenziell global ausgedehnten persönlichen Netzwerken verbunden sind? Welche Folgen hat es für die Ausbildung von kollektiver Zugehörigkeit und die Formierung von (transnationaler) Öffentlichkeit, wenn Grenzverläufe von Lebenswelten nicht mit politischen Verwaltungseinheiten oder primären Empfangs- bzw. Verbreitungsgebieten von Massenmedien kongruent sind? Der Autor diskutiert die Lebenswelt des Alltags im Kontext sozialer und kultureller Wandlungsprozesse wie Globalisierung, Transnationalisierung, Mobilisierung und Mediatisierung und identifiziert dabei Bausteine für eine Theorie des Kommunikationsraums. Diese ermöglichen es, alltägliche Lebenswelten und transnationale Vergemeinschaftungsprozesse unter Mediatisierungsbedingungen von unten analytisch zu fassen. Dazu werden Formen und Bedingungen von Kommunikation mit Raum als materiellem Substrat der Lebenswelt und anhand seiner strukturierenden Rolle für Kommunikationsprozesse verbunden. Das vorgeschlagene Verständnis von Kommunikationsraum ist nicht auf Europa begrenzt, sondern auf eine Vielzahl von Fragestellungen anwendbar, die von einer Verbindung zwischen Lebenswelt-, Öffentlichkeits- und Mediatisierungsforschung profitieren können, um medien- und soziokulturellen Wandel in einer nicht medienzentrierten Perspektive zu adressieren.