Zu Teilband IV: "Lebenskunst" ist etwas, das nicht nur alle angeht, die ihr Leben gestalten wollen, sondern sie gehört spätestens seit der Antike zur Ethik als wissenschaftlich-philosophischer Disziplin. Dass sie diesen Stellenwert kulturübergreifend einnimmt, soll durch den Kulturvergleich zwischen China und Griechenland gezeigt werden. Dabei sucht erneut der vergleichende Blick nach Gemeinsamkeiten, ohne die Unterschiede zu vernachlässigen. Mit ihrem Ziel, das Leben gelingen zu lassen, bewegt sich antike ethische Praxis im Spannungsfeld zwischen 'Technik' und 'Kunst'. An ihrer Wurzel fallen beide Begriffe in beiden Kulturen zusammen und zeigen starke Verbindungen zu religiösen Formen von Erfahrungsbewältigung, insbesondere dem Ritual. Mit der antiken philosophischen Ethik hat aber bereits ein Entsakralisierungsprozess eingesetzt, der nicht zu einer Profanisierung ritueller Formen führte, sondern zu einer "Moralisierung" von Religion, die aufzuzeigen ein wichtiges Thema des Bandes ist. Ethische Techniken und ethische Kunst sollten helfen, das eigene Leben gelingen zu lassen, indem man es als Möglichkeit zur moralischen Entfaltung der eigenen Person verstand, wobei von einem moralischen Potenzial des Menschen ausgegangen wurde, das eine spezifische Vollendungsmöglichkeit mit sich brachte. Vollendung, Göttlichkeit und Genialität verweisen dabei nicht nur auf die Ursprünge religiösen Erlebens, sondern sie fungierten als Wegweiser eines Lebensstils, der sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden gab, sondern nach dem griff, was Menschen zu erreichen möglich ist. In diesem Sinn zeigt sich in der Praxis antiker Ethik ein philosophischer Entwurf, der weit über die heute intellektuell oder gar sozialtechnologisch reduzierten Perspektiven der allgemeinen scholastischen Ethikdiskussionen hinaus weist. Die in ihm angestrebte Gelassenheit und moralische Standfestigkeit war und ist allerdings ohne entsprechende Übung nicht zu erreichen; und dies scheint umso wichtiger, wenn es sich um das eigene Leben handelt, und die Frage, wie es moralisch sinnvoll zum Ausschöpfen seiner Möglichkeiten geführt werden kann.