Zum Buch:
Ende der Zwanzigerjahre plant Clärenore Stinnes eine Reise um die Welt. Nicht unbedingt in achtzig Tagen, nein, es sollen schon so um die zwölf Monate werden, das hat sie sich jedenfalls fest vorgenommen. Und sie will dabei auch nicht auf jedes verfügbare Transportmittel zurückgreifen, nur um möglichst schnell voranzukommen. Vielmehr hat sie vor, als erste Frau in der Geschichte überhaupt, den Erdball in einem Automobil zu umrunden. Ein mehr als wagemutiges Unterfangen, keine Frage.
Clärenore, fünfundzwanzig Jahre alt, ist die Tochter eines ungemein wohlhabenden Industriemagnaten und hat sich bereits als Autorennfahrerin einen Namen gemacht. Sie wird gesponsert von der in Frankfurt am Main beheimateten und zur damaligen Zeit sehr renommierten Autofirma Adler, die ihr nicht nur die horrende Summe von einhunderttausend Reichsmark zur Verfügung stellt, sondern gleich dazu noch einen brandneuen „Standard 6“ sowie einen Begleit-Lkw, der Ersatzteile, Benzin, Öl, Winden, Drahtseile und Dynamitstangen transportiert (um nötigenfalls dort den Weg frei zu sprengen, wo keiner ist). Ihr zur Seite gestellt werden zwei Werksmechaniker, ein Dolmetscher und der schwedische Kameramann Carl-Axel Söderström, der die Reise dokumentieren soll. In Schwarzweiß und ohne Ton.
Es dauert nicht lange, da werden die Mechaniker nacheinander krank und geben schließlich auf, und als sich dann auch noch der – völlig unfähige – Dolmetscher auf und davon macht, sind Clärenore und Carl-Axel völlig auf sich allein gestellt, doch aufgeben wollen sie auf keinen Fall.
Auf ihrer gefahrvollen Reise durch- und überqueren sie Regenwälder, Wüsten und Dschungel, steile Gebirgspässe und zugefrorene Seen, überwinden Sandstürme, werden von Räuberbanden und Wölfen gejagt und finden sich in Gebieten zurecht, die auf keiner Karte verzeichnet sind, in denen nie zuvor ein Automobil gesehen wurde, ja nicht einmal weiße „Touristen“. Es ist eine Qual. Sie hungern, sie dursten, sie frieren und schwitzen. Es ist aber auch jedes Mal ein Ansporn, immer weiter zu fahren. Und schließlich, im Juni 1929, nach zwei Jahren und einem Monat, nach 46.758 Kilometern und 23 Ländern erreichen sie Berlin, und da sind sie längst schon ein Liebespaar.
Ich empfehle jedem, der sich fürs Reisen interessiert, und sei es auch nur mit dem Finger über der Landkarte, dieses Buch zu lesen. Es ist eine einzige Freude, die Abenteuer, die Höhen und Tiefen der beiden hautnah mitzuerleben. Man wird dieses bereits 1929 erschiene Buch lieben und weiterempfehlen, mit Sicherheit. Man wird erstaunt sein, man wird oft auch schmunzeln, aber auf alle Fälle wird man reich belohnt werden.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln