Der vorliegende Essay ist keine Abrechnung mit der Beratung, wohl aber eine Relativierung ihrer verbreiteten Deutungsanmaßungen und Wirkungsversprechen. Diese entstammen dem Bemühen um gelingende Interventionen, ohne zu erkennen, auf welche eigenartigen Wissenskonstruktionen man dabei zurückgreift. Insbesondere versäumt die „wissende Beratung" - so die hier zugrundeliegende These - jeglichen Zweifel an der Konstruktivität ihres eigenen professionellen Wissens, welches den synaptisch verdichteten Deutungsmustern der Beraterinnen und Berater entstammt - häufig genug durchmischt mit ganz persönlichen Erfahrungen in eigenen Persönlichkeits- und Beziehungskrisen. Dervorliegende Text nimmt die psychotherapeutischen Beratung beispielhaft in den Blick. Diese folgt häufig einer Linie, bei der die Beratenden ihre Klienten nicht so zu erkennen vermögen, wie diese „sind", sondern lediglich so, wie sie selbst geworden sind bzw. haben werden können. Ihre eigene emotionale und kognitive Konstruktion der Wirklichkeit selbstreflexiv zu erkennen und deren Einfluss auf die Entwicklung professioneller Deutungen auszuschließen, um an den inneren Bildern und Routinen der Klienten tatsächlich anschließen zu können, markiert den Durchbruch zu möglichen Formen einer posttherapeutischen Erkenntnistherapie. Diese beginnt mit einer selbstreflexiven Frage, mit der sich die Seelenheiler selbst konfrontiert sehen: „Seit wann habe ich das?"