Dieses Buch beschäftigt sich zunächst mit den historischen und dogmatischen Grundlagen der Religionsphilosophie Dharmakirtis. Es zielt auf den sozialgeschichtlichen Kontext brahmanischer Feindseligkeit gegenüber nicht- oder antivedischen Konfessionen (Kapitel 1), neue Muster buddhistischer Selbstdarstellung (Kapitel 2), neu erfundene Modelle theoretischer und apologetischer Rationalität (Kapitel 3) und die dogmatische Infrastruktur hinter der buddhistischen Epistemologie (Kapitel 4) ab. Die These lautet, dass buddhistischer „Tantrismus“ und buddhistische „Logik“ – zwei mehr oder weniger zeitgenössische Phänomene, die als die größten literarischen Ergebnisse der „frühmittelalterlichen“ Periode bezeichnet werden können – gemeinsame Merkmale aufweisen, die hinsichtlich polemischer Ziele und des Sichverstehens von Interesse sind. Seit dem Ende des fünften Jahrhunderts verloren intrabuddhistische Polemiken an Relevanz (zumindest in ihrer bis dahin herrschenden Form) und rückten zum Teil in den Hintergrund zugunsten inter- oder transkonfessioneller Debatten. Die Abkehr von Abhidharma und der Fokus auf neue, überwiegend nicht-buddhistische Ziele führte zu einem Verzicht auf scholastische, konfessionsspezifische Terminologien und Methoden sowie zu der Entwicklung neuer Modelle für theoretische und apologetische Rationalität: erstens, die Erstellung eines klaren Konzepts der Vernunft im Gegensatz zur autoritativen Schrift; zweitens, der allmähliche Aufbau eines Konzepts für praktische Rationalität im Dienste der apologetischen Absicht, ebenjene Möglichkeit oder Rationalität des buddhistischen Weges zu verteidigen. Letztlich wird geprüft, inwiefern buddhistische Epistemologie überhaupt als buddhistisch bezeichnet werden kann, zieht man ihre tiefere dogmatische Struktur in Betracht. Die Grundlagen buddhistischer Epistemologie – u. a. die apoha-Theorie und die pramana-Lehre – werden als Rationalisierung und apologetisch aktualisierte Version buddhistischer Dogmen interpretiert, die sich auf die Struktur höchster und herkömmlicher Realitäten, auf die kognitiven Grundlagen von Fehler und Fehlerausschluss und auf cintamayi prajña („Einsicht durch Reflexion“) als erlösendes Mittel überwiegend inferentieller/induktiver Ordnung beziehe.