Elternschaft kann je nach Gesellschaft sehr unterschiedlich gelebt und gedacht werden. In weiten Teilen Westafrikas ist es normal, dass Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern, sondern bei Verwandten aufwachsen – so auch bei den Baatombu in Nordbenin. Zwar hat sich die Praxis der Kindspflegschaft dort im Laufe des 20. Jahrhunderts tiefgreifend geändert, sie ist jedoch nicht völlig verschwunden. In ihrer Monografie zeichnet Erdmute Alber die Geschichte und Praxis sozialer Elternschaft von 1900 bis 2012 detailliert nach und liefert so neue theoretische Ansätze und Überlegungen zum Thema. Kindspflegschaft gilt bei den Baatombu gemeinhin als Normalität. Erdmute Alber zeigt in ihrer Arbeit die historischen Wurzeln und das Gewordensein dieser uns so fremd scheinenden Praxis. Sie erläutert Gründe, Abläufe und Strukturen und führt uns vor Augen, dass das euro-amerikanische Modell, wonach Kinder am besten bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, nur eines von vielen ist. Ferner beschreibt sie, wie die Kolonialisierung, die Einführung der Schulpflicht, technische Erneuerungen sowie die weltweite Verbreitung 'westlicher' Elternschaftsmodelle zu Veränderungs- und Anpassungsprozessen und damit zu veränderten Praktiken der sozialen Elternschaft führten. Diese werden besonders deutlich in der Gegenüberstellung von Stadt und Land sowie in den von der Autorin nachgezeichneten Konflikten um zwei der beobachteten Pflegekinder.