Seit das bedeutendste monastisch-orthodoxe Zentrum des tamilischen Saiva Siddhanta – der Thiruvavaduthurai Adhinam in den 1990er Jahren für Laien geöffnet wurde, verbreitet die Einrichtung die philosophischen Lehren des Sivaismus durch eine eigene populäre Organisation und bestimmt maßgeblich die südindischen Debatten. Doch was genau ist Saiva Siddhanta? Ausgangspunkt für die Untersuchung von Ralf Klöber bildet eine ethnographisch-philologische Analyse des tamilischen Saiva Siddhanta und seiner einflussreichsten Stimmen am Anfang des 21. Jahrhunderts. Das gegenwärtige Verständnis der tamilisch-sivaitischen Philosophie wird geneaologisch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt. Dabei wird deutlich, dass die Konzeption des heutigen Saiva Siddhanta um 1900 einflussreiche Brüche und entscheidende Namensgebungen erlebt hat. Es wird gezeigt, dass der Saiva Siddhanta, seine philosophischen Grundannahmen und Kanons das Ergebnis einer globalen Verflechtungsgeschichte darstellen, die von tamilischen Gelehrten, sivaitischen Reformern, christlichen Missionaren und europäischen Orientalisten gemeinsam geprägt wurde.