Memorbücher überliefern Gedenkbitten für die Seelen namentlich genannter Verstorbener einer jüdischen Gemeinde, meist verbunden mit kurzen Nachrufen und Segenswünschen. Der Brauch dieses ritualisierten Seelengedenkens im Gottesdienst ist seit dem Mittelalter belegt, doch sind Handschriften von Memorbüchern erst aus der Neuzeit in größerer Zahl erhalten. Das Memorbuches der Mitte des 19. Jahrhunderts in Mainz gegründeten Israelitischen Religionsgesellschaft, die als separate Teilgemeinde der jüdischen Gemeinde Mainz bis 1938 existierte und nach Auffassung ihrer Mitglieder das gesetzestreue (orthodoxe) Judentum vertrat, wurde bewusst als Fortsetzung des älteren sogenannten Nürnberger Memorbuchs, welches sich ebenfalls im Besitz dieser Gemeinde befand, angelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Manuskript nach Israel gebracht, wo es heute in den Central Archives for the History of the Jewish People aufbewahrt wird. Andreas Lehnardt legt in seinem Band die erste deutsche Übersetzung dieses Memorbuches vor. Die gut erhaltene Handschrift stellt ein einzigartiges Dokument der jüdischen Orthodoxie im 19. Jahrhundert in Deutschland dar. Sie überliefert zahlreiche Informationen zur jüdischen Geschichte von Mainz und darüber hinaus. Vermutlich handelt es sich um eines der letzten Werke dieser Art aus Deutschland, die bis kurz vor dem Auslöschen der Gemeinde regelmäßig verlesen wurde. Der Band ist mit einer ausführlichen Einleitung versehen und wird durch mehrere Register der Namen, Institutionen und zitierten Quellen der jüdischen Traditionsliteratur erschlossen.