Zur Autorin / Zum Autor:
Johannes Willms (1948 – 2022) war Historiker und Journalist. Er hat zahlreiche Werke vor allem zur Geschichte Frankreichs vorgelegt, darunter zuletzt «Der General. Charles de Gaulle und sein Jahrhundert» (2019).
Mit dem Tod des sechsundsiebzigjährigen „Sonnenkönigs“ Louis XIV. im Jahr 1715 endete nicht nur eine der am längsten bestehenden Regentschaften der Neuzeit sondern auch eine von Absolutismus, überbordender Prunksucht und Kunstentfaltung geprägte Ära: das Grand Siècle. Der 2022 verstorbene Historiker Johannes Willms hat sich mit seiner letzten großen Biographie zur Geschichte Frankreichs selbst ein Denkmal gesetzt.
(ausführliche Besprechung unten)
Als Louis XIV., König von Frankreich und Navarra, am Morgen des 1. September 1715 im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer fortschreitenden, äußerst schmerzhaften Gewebsnekrose starb, wurde in den Straßen von Paris vor Freude getanzt. Nach zweiundsiebzigjähriger Regentschaft war die Bevölkerung ihres Souveräns längst überdrüssig geworden, da sie ihm die nachhaltigen Auswirkungen einer enormen Steuerlast vorwarf, deren Erträge in der Hauptsache für unter fadenscheinigen Vorwänden geführte Angriffskriege sowie für die verschwenderische Prunksucht des selbsternannten „Sonnenkönigs“ verwendet, bessergesagt: verschwendet wurden.
Am Tag seiner Krönung war der Dauphin gerademal vier Jahre alt und beließ daher die Verwaltung des Reichs zunächst in den Händen seiner Mutter, der Königin Anne d’Autriche, die, wie bereits Louis’ Vater, unter dem Einfluss des machtbesessenen Kardinals und Diplomaten Mazarin stand. Erst nach dem Tod der Königsmutter verbannte Louis den Kleriker und führte fortan die Staatsgeschäfte in eigener Regie. Da war er gerademal 13 Jahre alt, und das Land lag in Trümmern. Hunger infolge von Missernten und anhaltende finanzielle Finanzmiseren aufgrund politischer Naivität führten zu Unruhen und mündeten schließlich in erbitterten, bürgerkriegsähnlichen Zuständen.
Der vielzitierte Ausspruch „L’etat c’est moi!“ ist zwar einer Erfindung früher Biographen zuzuschreiben, dennoch sah sich Louis XIV. niemals als er selbst, sondern stets als souveränen Herrscher, der wie keiner seiner Vorgänger darauf aus war, das französische Territorium durch eine ununterbrochene Reihe von Kriegen zu erweitern. Mit unerbittlicher Härte ging der Kindkönig gegen die Hugenotten wie auch gegen die Adelsfronde vor, zog die bekanntesten Künstler und Architekten an den Hof und widmete sich nebenbei der Ausgestaltung des einstigen Jagdschlosses von Versailles. Damit avancierte Frankreich zum mächtigsten Staat und obendrein zum kulturellen Zentrum Europas.
Achtundsiebzig Jahre lang ruhte der Leichnam Louis XIV. in der Krypta von Notre-Dame in Paris, bis er in den Wirren der Französischen Revolution exhumiert und geschändet wurde. Jedes Jahr strömen bis zu 12 Millionen Besucher durch die Gänge und Hallen von Versailles, kaufen überteuerten Nippes und ergötzen sich an den Memorabilien des einstigen „Sonnenkönigs“ und Kunstmäzens, dessen Name heutzutage stellvertretend für das Grand Siècle steht.
In seinem letzten Buch zeigt der 2022 verstorbene Historiker und Autor Johannes Willms noch einmal seine profunden Kenntnisse der Französischen Geschichte und setzt sich mit der herausragenden Biographie Louis XIV. selbst ein Denkmal.
Axel Vits, Köln