Zur Autorin / Zum Autor:
Friederike Hausmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte Italiens und lebt nach langjährigem Aufenthalt in Italien als Autorin und Übersetzerin in München.
Giftmischerin, Blutschänderin, Palast der Wollust und des Verrats – viele Männer haben mit moralisch vernichtenden Urteilen zu Lucrezia Borgias skandalösem Ruf beigetragen. Friederike Hausmann zeichnet nach gründlichstem Quellenstudium – dazu gehören zahlreiche erst jüngst erschlossene – ein gänzlich anderes, sehr differenziertes, durch die kristallene Klarheit ihrer Sprache dennoch berührendes Bild einer Frau, die vom Spielball zur Mitspielerin auf der großen Bühne der Politik des Cinquecento wurde.
(ausführliche Besprechung unten)
Giftmischerin, Blutschänderin, Palast der Wollust und des Verrats – viele Männer haben mit moralisch vernichtenden Urteilen zu Lucrezia Borgias skandalösem Ruf beigetragen. Friederike Hausmann zeichnet nach gründlichstem Quellenstudium – dazu gehören zahlreiche erst jüngst erschlossene – ein gänzlich anderes, sehr differenziertes, durch die kristallene Klarheit ihrer Sprache dennoch berührendes Bild einer Frau, die vom Spielball zur Mitspielerin auf der großen Bühne der Politik des Cinquecento wurde.
Als Lucrezia Borgia, uneheliche Tochter des Papstes Alexander VI. nach der Auflösung ihrer ersten Ehe mit Giovanni Sforza schwanger wird, bekommen die Gerüchte über „die größte Hure Roms“ neues Futter. Von ihren Zeitgenossen über den französischen Romantiker Victor Hugo, der mit seinem 1833 uraufgeführten Stück „Lucrèce Borgia“ exemplarisch die Verderbtheit der Frau auf die Bühne holte, bis hin zu Historikern des 20. Jahrhunderts – sie verfallen alle dem zeitlos wirksamen Narrativ der Hexe.
Dabei war Lucrezia in ihrer ersten Lebenshälfte, die sie in Rom unter den Augen ihres Vaters verbrachte, vor allem eins: eine Schachfigur in seinem Spiel um die Macht. Die Ehen, die Papst Alexander VI. für sie aushandelte – nach Auflösung der Ehe mit Giovanni Sforza folgte die Vermählung mit Alfonso d’Aragona – dienten der Sicherung und Erweiterung des päpstlichen Territoriums im 50-jährigen italienischen Krieg. Erst mit Lucrezias Auszug aus Rom im Jahr 1502 und der Eheschließung mit Alfonso d’Este begann für die zu diesem Zeitpunkt 22-Jährige eine Zeit, in der sie selbst in das Tagesgeschehen der Politik eingreifen konnte. Zunächst scharte sie einen Kreis von Literaten um sich, der dem Hof d’Este in Ferrara neuen Glanz verlieh. Ercole Strozzi und Pietro Bembo gingen bei der Herzogin ein und aus. Nach dem Tod ihres Schwiegervaters versuchte sie immer wieder, Einfluss auf ihren Ehemann und dessen Entscheidungen zu nehmen, und erwies sich in den letzten Jahren ihres 39-jährigen Lebens als erfolgreiche Unternehmerin und Grundbesitzerin.
Was zu Lucrezia Borgias Lebzeiten in ihren gesellschaftlichen wie familiären Kreisen geschah, böte Stoff für unzählige Dramen, man sollte wohl eher sagen: Kriminalromane und Thriller. Dem wirklich Spannenden an diesem Frauenleben, auch den bis heute nicht aufgedeckten großen wie kleinen Geheimnisse, widmet sich Friederike Hausmann in ihrer Biografie mit zurückhaltender Empathie, und das macht die Lektüre besonders wertvoll.
Susanne Rikl, München