Migration bedeutet eine – häufig physisch und psychisch traumatisierende – Zäsur, die vor multiple Verlusterfahrungen stellt. Diese sind mitunter schwer artikulierbar, sei es aufgrund sprachlich-kultureller Hürden, sei es aufgrund des Umstandes, dass das Erlebte das Vorstell- und Sagbare übersteigt. Derartige ‚Fluchtlinien der Sprache‘ stellen nicht zuletzt das (westliche) Gesundheitswesen vor Herausforderungen, das sich aktuell mehr denn je mit Migrant:innen konfrontiert sieht. Gerade wenn es um die Wiedererlangung von (sprachlicher) Handlungsmacht geht, kommt künstlerischen Ausdrucksformen besonderer Stellenwert zu: verstanden als liminaler in-between space eröffnet die grenzüberschreitende Freiheit des Ästhetischen die Möglichkeit, resilienzfördernde linguistische, kulturelle oder identitätsbezogene Resignifikationen zu fördern. Vor diesem Hintergrund erkundet der konsequent interdisziplinär ausgerichtete Band die Schnittstellen zwischen Medizin, Migration und künstlerischem Ausdruck. Dabei verharren die Beiträge nicht bei (migrationsassoziierten) Verlusterfahrungen, sondern zeigen Möglichkeiten der heilsamen Artikulation des Unsagbaren und Ungesagten in unterschiedlichsten Kunstformen (Literatur, Tanz, Social-Media, etc.) auf. Gleichzeitig sensibilisieren sie für eine kultursensitive Medizin, weshalb sie nicht nur Literatur- und Kulturwissenschaftler:innen, sondern auch medizinisches Personal adressieren.