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Shamhats Liebhaber

Autor
Berberian, Charles

Shamhats Liebhaber

Untertitel
Die wahre Geschichte von Gilgamesch. Aus dem Französischen von Silv Bannenberg
Beschreibung

Das berühmteste Museum der Welt erteilt den Auftrag, das älteste Epos der Menschheit als Comic umzusetzen. Die Geschichte des Gilgamesch zu zeichnen, im Auftrag des Louvre – das war die Aufgabe des französischen Zeichners Charles Bérberian. Was nach einer großen Bürde klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als veritables Vergnügen. Shamhats Liebhaber macht mit einem Epos vertraut, das oft im Schatten der Herkulesgeschichte, der Bibel oder auch der Artussage steht, und offenbart dabei durchaus moderne Einsichten zum Verhältnis von Männlichkeit und Macht.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Reprodukt Verlag, 2022
Seiten
128
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-95640-307-1
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Chrles Berberian, geboren 1959 in Bagdad, studierte in Paris, wo er sich Anfang der 80er-Jahre der Gruppe um Avril und Philippe Dupuy anschloss. 2003 wurden er und Dupuy mit dem US-amerikanischen Inkpot Award ausgezeichnet. 2008 auf dem 35. internationalen Comicfestival von Angoulême erhielten sie gemeinsam mit Philippe Dupuy den Grand Prix de la Ville d’Angoulême.

Zum Buch:

Das berühmteste Museum der Welt erteilt den Auftrag, das älteste Epos der Menschheit als Comic umzusetzen. Die Geschichte des Gilgamesch zu zeichnen, im Auftrag des Louvre – das war die Aufgabe des französischen Zeichners Charles Bérberian. Was nach einer großen Bürde klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als veritables Vergnügen.

Im Comicland Frankreich ist es wenig verwunderlich, dass sich auch ehrwürdige Institutionen ohne Furcht der Bildergeschichte anvertrauen. Die sechs aussichtsreichsten Kandidaten zur aktuellen Präsident:innenwahl wurden offiziell von Comickünstler:innen begleitet, und der Louvre verlegt schon seit etlichen Jahren eine Comicreihe, in der bekannte Zeichner:innen ihre höchst subjektive Sicht auf ein Kunstwerk, einen Flügel, eine Szenerie vorlegen.

Charles Bérberians Ausgangspunkt für sein Louvre-Abenteuer war die gerade mal einen halben Meter hohe Statue des Ebih-Il aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. Aus Alabaster gefertigt, nimmt sie einen mit ihren Lapislazuliaugen und einem gelassenen und vielsagenden Lächeln sofort für sich ein. Was hat dieser hohe Beamte Ebih-Il wohl gesehen und erlebt, fragt sich der renommierte Zeichner. Er selbst hat irakische Wurzeln, also ist sein Bezug zur Mesopotamien Abteilung des Pariser Museums nicht zufällig. Ebih-Il setzt er eine zweite Figur an die Seite, ebenjene Shamhat, die dem Comic seinen Titel leiht. Im Gilgamesch-Epos ist sie die Geliebte des Zwei-Drittel-Gottes (sic!), diejenige, die den sagenhaft schönen Naturjüngling Enkidu findet und einen Kampf der beiden Männer einfädelt. Der endet unentschieden und ist der Beginn einer durchaus homoerotischen Freundschaft mit allerlei sagenhaften Abenteuern. Vor allem markiert sie die Wende im Herrschaftsstil des Gilgamesch.

Grundlage des Epos sind Tafeln, auf denen die Geschichte in Keilschrift niedergelegt ist. Aber, wenig verwunderlich, nachdem sie fast 5000 Jahre später gefunden wurden, es fehlen Passagen, die Geschichte bleibt Fragment. Hier zeigt sich eine Stärke des Mediums Comics: es vermag Lücken zu füllen und verweist nicht zuletzt durch die eigenen Lücken zwischen den Bildern auf den spekulativen Charakter der Rekonstruktion. Bérberian, mit leichtem und modernem Strich, immer wieder durchbrochen von wunderbaren Aquarellen, nutzt diese Freiheit, diese offenen Fragen. Zum einen, indem er mit gut getimtem und etwas ironischem Ton den Verdruss und die Langeweile des scheinbar Allmächtigen, seine erotische Obsession und seine Brutalität schildert. Aber vor allem, in dem er den Nebenfiguren Ebih Il als geschicktem Berater Gilgameschs und Shamat die Erzählperspektive überlässt. Shamat wird von der Geliebten zur mächtigen Politstrategin und leitet so den Imagewechsel des Despoten ein.

Zusammen mit dem klugen Anhang macht Shamhats Liebhaber mit einem Epos vertraut, das oft im Schatten der Herkulesgeschichte, der Bibel oder auch der Artussage steht, und offenbart dabei durchaus moderne Einsichten zum Verhältnis von Männlichkeit und Macht.

Jakob Hoffmann, Frankfurt a.M.