Zum Buch:
Ist ein Musiker noch ein Musiker, wenn er sein Instrument nicht mehr spielen kann? Was bleibt, wenn die Passion, die seit Kindheit Teil des Lebens ist und sogar zum Beruf wurde, ein plötzlich verschlossener Raum wird?
Der Berufsgeiger Simon Abrameit versucht seit Wochen das gelegentliche Krampfen einiger Finger der linken Hand zu ignorieren, was ihm bei seinen Auftritten immer weniger gelingt. Befürchtungen werden zu Angst, Angst zur Panik, und während eines Soloauftritts in einem kapellenartigen Dom in einer Stadt in Finnland bricht Simon mitten in Takt 18 von Bartóks Solosonate vor dem versammelten Publikum zusammen, als seine Hand ihm tatsächlich den Dienst verweigert.
Seine Musikerkollegin Mai erkennt den Ernst der Lage, bringt Simon ins Hotel, um seine Sachen zu packen, und macht ihm, der sich vollkommen hilf- und haltlos fühlt, ein Angebot: „Du kannst die Insel haben.“ Mai bietet ihrem verstörten Kollegen damit eine Woche der Besinnung und Regeneration in ihrem Ferienhaus auf einer winzigen Schäreninsel an. Versorgt mit Proviant und Wasser bleibt Simon dort mit sich, seiner Geige und den brütenden Sturmmöwen vor seinem Haus allein. Aus einer Woche werden erst zwei, dann viele.
Ein Mensch im Schockzustand irgendwo zwischen Irrsinn, Hoffnung und Ratlosigkeit, angefüllt mit Musik und Sehnsucht nach der tröstenden Nähe seiner Geige, die von der Geliebten zur Gegnerin wird, ein großes Nichts beim Blick in eine Zukunft, in der der Geiger nicht mehr geigen kann … Mit großem Einfühlungsvermögen nimmt uns der Autor Stefan Moster mit in die tiefe Krise eines Menschen, der vermeintlich von einem auf den anderen Tag seine Daseinsberechtigung verliert. Die Geschichte eines Schicksalsschlags, der dazu führt, dass ein Mensch sich neu erfinden muss, ist nicht neu und doch in Bin das noch ich auf besondere Weise aufrüttelnd und berührend. Der Roman ist einerseits durchdrungen von der Erhabenheit und unendlichen Schönheit klassischer Musik und erzählt andererseits von der heilenden Begegnung zwischen Mensch und Natur. Wie Simon Abrameit möchte man lernen, die Rufe von Silber- und Sturmmöwen zu unterscheiden, mit viel Muße mal wieder Bachs Sonate in C-Dur hören und sich endlich mit Bela Bartók beschäftigen, dessen Lebensgeschichte sich immer wieder in Simons Gedanken drängt. Stefan Moster hat ein Buch nicht nur für Musikbegeisterte und Naturliebhaber geschrieben, sondern auch für all jene, die ihren eigenen Weg manchmal in Frage stellen oder sich mit der Oberfläche des eigenen Seins nicht immer zufriedengeben möchten.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt