Zum Buch:
Müde und niedergeschlagen sitzt der einstmals berühmte Fotograf Joseph Wasserstein wie hingefläzt in einem Klappstuhl inmitten des von Wicken und Liguster verwilderten Gartens seiner Wiener Stadtrand-Villa und flucht leise vor sich hin. Er ist mittlerweile dreiundachtzig Jahre alt, leidet an zunehmender Vergesslichkeit und latenter Inkontinenz. Er mag nicht mehr. Er hat alles gesehen, alles erlebt, und jetzt ist ihm selbst das Warten auf das Ende zuwider.
Einziger Lichtblick in Josephs tristem Alltag ist sein direkter Nachbar, auch wenn er das ihm gegenüber niemals eingestehen würde. Hakim Elvedin, nur um wenige Jahre jünger als er, war ein gefeierter Bühnen-Tänzer, und wenn er jetzt in hautengem Tank-Top und Pluderhosen auf dem gepflegten Rasen seines Gartens seltsam anmutende Luftsprünge und Pirouetten vollführt, so überkommt den Fotografen stets ein Anflug von Sentimentalität: Allein der bloße Gedanke, dieser närrische Pfau würde vor ihm das Zeitliche segnen, versetzt ihm einen Stich.
Denn so unterschiedlich die beiden alten Freunde auch sein mögen – er, Jakob, mit seinem Wunsch, endlich loslassen und sterben zu können, und er, Hakim, mit seiner nach wie vor überbordenden Lebenslust – spätestens dann, wenn sie abends ihrem Ritual nachgehen und bei einem gemeinsamen Bier unter einer Weide ihren teils heftigen Disput über die Zeitläufte des Lebens austragen, spüren beide, was sie aneinander haben. Und dass sie sich gegenseitig brauchen.
Erst als Jakob eines Tages ein Brief erreicht, in dem sich eine junge Frau zu einem Besuch anmeldet, um über das Leben des Fotografen zu recherchieren, wird ihr bisheriger Alltag völlig auf den Kopf gestellt.
Spätestens mit seinem überragenden Roman Fuchserde, den ich hier nur empfehlen kann, hat sich Thomas Sautner in die Herzen seiner Leserschaft geschrieben. Es gelingt ihm stets und mit wenigen Worten, in die Seelenlandschaft seiner Protagonisten einzutauchen und so zu erzählen, als würde man diese Menschen am Ende der Lektüre kennen – und regelrecht vermissen.
Axel Vits, Köln