Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
McCarthy, Cormac

Die Straße

Untertitel
Roman. Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
Beschreibung

Endzeit. Alles Asche. Das Land verheert und dunkel. Ein Vater und ein Sohn. Schieben einen Einkaufswagen durch die schwarze Kälte. Eine Straße entlang. Irgendeine. Süden. Immer nach Süden. Hauptsache ein Ziel. Cormac McCarthy beschwört ein Szenario herauf. Man kann so etwas nur einmal schreiben. Nur einmal lesen. Ein Meisterwerk.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Verlag, 2008
Format
Taschenbuch
Seiten
256 Seiten
ISBN/EAN
978-3-499-24600-5
Preis
8,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Cormac McCarthy wurde 1933 in Providence, Rhode Island geboren. Er wurde erst nach Erscheinen seines 6. Romans „All die schönen Pferde“ bekannt und erhielt zahlreiche Preise. Heute lebt er in El Paso, Texas.

Zum Buch:

Manchmal kommt es ja vor, daß ein Autor komplett an einem vorbei geht, und wenn man ihn dann für sich quasi “neu” entdeckt hat, dann fragt man sich doch, wie das passieren konnte, warum erst jetzt? Bei der Fülle an Neuerscheinungen bleibt so manches ungelesen auf der Strecke, das läßt sich einfach nicht vermeiden. Mir ist das mit Cormac McCarthy passiert. Ich weiß natürlich, daß er die Romane All die schönen Pferde, Verlorene und Draußen im Dunkel geschrieben hat, schließlich bin ich Buchhändler, doch gelesen habe ich keinen davon. Das wird sich ändern. Sehr bald schon. Morgen. Warum? Weil ich gerade seinen neuen Roman Die Straße gelesen habe, und wenn ich sage “gerade““dann meine ich das genau so. Und wenn ich hier und jetzt behaupte, ich habe nie etwas Vergleichbares gelesen, dann trifft auch das voll und ganz zu. McCarthy hat eine Geschichte erzählt, einen Roman geschrieben, der schlichtweg ein Meisterwerk ist. Punkt.

Ein Mann mit Mundschutz schiebt einen mit wenigen Habseligkeiten bepackten Einkaufswagen vor sich her. Er trägt schwer an seinem Rucksack. An seiner Seite ein bleicher, abgemagerter, Junge. Sein Sohn. Auch er trägt einen Rucksack. Und einen Mundschutz, auf den er sich mit Malstiften, die sie irgendwann auf der ewigen Suche nach Essbarem gefunden hatten, Fangzähne gemalt hat. Es ist kalt. Seit Jahren schon. Die beiden gehen eine Straße entlang. Irgendeine Straße. Egal. Gehen an vor Jahren geplünderten Geschäften, Tankstellen vorbei, ausgebrannten Autos, mumifizierten Leichen mit gebleckten Zähnen. Sie wollen in den Süden. Der Mann schaut immer wieder in den an den Wagen angeschraubten Rückspiegel. Vergewissert sich des Revolvers, der in seinem Gürtel steckt. Sie sind nicht allein dort draußen auf der Straße. Es ist kalt. Es ist immer grau, immer dunkel. Über einem Land, das einmal Amerika hieß, liegt, einem Grabtuch gleich, eine zentimeterdicke Ascheschicht. Alles verkohlt, verwüstet, geplündert. Die Sonne ist nicht stark genug, den Aschewind zu durchbrechen. Endzeitstimmung. Lange nach der Apokalypse. Sie gehen immer Richtung Süden. Wohin sonst. Auch nur ein Ziel. In einer Zeit, in der die Namen der Dinge langsam den Dingen selbst in die Vergessenheit folgten. Farben. Die Namen von Vögeln. Dinge, die man essen konnte. Schließlich die Namen von Dingen, die man für wahr hielt. Eine Zeit, die sich die Guten mit den Bösen teilen. Daran hat sich nichts geändert. Was jedoch auch überlebt hat, das ist das Vertrauen. Die Liebe. Mitten im Chaos.
“Und sind wir die Guten?”, fragt der Sohn.
“Ja, das sind wir”, antwortet der Vater.
“Und wir werde auch keine Menschen essen?”
“Nein.”
“Versprochen?”
“Versprochen.”
“Okay.”
“Okay.”

Cormac McCarthy hat da eine Geschichte erzählt, hat einen Roman geschrieben, Bilder, die man, einmal gesehen, nie wieder vergißt. Von der ersten Seite an hatte mich diese Stimmung gepackt. Ich habe, nein, ich mußte dieses Buch in einem Rutsch durchlesen. Das ging gar nicht anders. Lag da auf meiner Lesecouch, las Seite um Seite und mußte zuweilen den Kopf schütteln, stumm. Oder einen Kloß im Hals runterschlucken. Lesen Sie dieses Buch. Sie werden es, so wie ich jetzt, weiterempfehlen. Mehr kann ich nicht sagen. Klingt das hier ziemlich euphorisch? Gut so.

Axel Vits, Der andere Buchladen Köln