Zum Buch:
Das Leben scheint es endlich gut zu meinen mit Giulietta Battin. Nach jahrelanger Schinderei und erfolgreich abgeschlossener Ballett-Ausbildung hat sie überraschend eine Hospitanz bei der Berliner Staats-Oper bekommen. Und dann ist auch noch geschehen, womit sie am wenigsten gerechnet hat. Giulietta hat sich bis über beide Ohren in den für ein Gastspiel in Deutschland weilenden argentinischen Tango-Tänzer Damian Alsina verliebt. Sie erlebt mit ihm seit einigen Wochen ihre erste große Liebe und heftige Leidenschaft. Ihr Glück ist vollkommen. In dieser euphorischen Stimmung verlässt sie Berlin kurz, um einer Freundin beim Umzug in eine andere Stadt zu helfen. Wieder zurück in Berlin, liegt Giuliettas eben noch glückliche Welt in Trümmern: In ihrer Wohnung findet sie ihren geknebelten und an einen Stuhl gefesselten Vater. Von ihm erfährt sie, dass ihr Geliebter Damian der flüchtige Täter sei. Was war geschehen? Warum sollte Damian diese absurde Tat begangen und sie dann so erbärmlich, ohne ein Wort des Abschieds oder zumindest eine Nachricht, im Stich gelassen haben? War es ihm mit ihrer Liebe doch nicht so ernst, wie er immer beteuert hat? War Giuletta nur eine kleine Episode in Damians Leben, und sollten am Ende alle, die sie vor dem schönen Macho aus Argentinien gewarnt hatten, Recht behalten? Voller Selbstzweifel, hin und her gerissen zwischen unbändiger Wut und verzweifelter Trauer, zutiefst verletzt, aber nicht bereit, das Geschehene ohne eine für sie befriedigende Erklärung hinzunehmen, reist Giulietta kurz entschlossen Damian nach Buenos Aires hinterher. In Argentinien angekommen, ohne Spanischkenntnisse und mit nur minimalem Wissen über das Land, stürzt sie sich mit dem Mut der Verzweifelten in die Welt der Tango-Bars, der einzigen Orientierungshilfe, die sie zu Damian führen könnte. Schon bald muss Giulietta feststellen, dass sie nicht die Einzige ist, die “El Loco”, wie Damian auf Grund seines unkonventionellen Tanzstils in der Tango-Szene genannt wird, sucht. Bei ihre verzweifelten Suche dringt sie immer tiefer in die für sie fremde, rätselhafte Welt des Tango ein und durchläuft gleichzeitig binnen weniger Tage einen wahren Crash-Kurs in jüngerer argentinischer Geschichte. Sie lernt viel über die Besonderheiten und Eigenheiten der Gesellschaft und der Bedeutung des Tangos in ihr. Sie erfährt von den unvorstellbaren Grausamkeiten während der Militärdiktatur, von den Tausenden von Gefolterten, Verschwundenen und Ermordeten, und dass sich die Täter von damals nie für ihre Verbrechen verantworten mussten, sondern viele von ihnen gegenwärtig an entscheidenden Hebeln der Macht sitzen. Hommage an den Tango, Liebesgeschichte, Polit-Thriller: Wolfram Fleischhauers Roman ist alles in einem und gut! Der Plot ist überzeugend konstruiert, und der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss erhalten. Seine detaillierten und von genauer Kenntnis und Begeisterung für das Sujet zeugenden Beschreibungen der Welt des Tangos, sowie seine überaus interessanten Interpretationen des Tanzes und der Musik, eröffnen auch allen, die nicht zum Kreis der Tango-Enthusiasten gehören, einen intensiven Einblick in eine faszinierende Kultur.
Ralph Wagner, Ypsilon Buchladen & Café, Frankfurt.