Zum Buch:
Manchmal kommt Gott als Rost verkleidet auf die Erde,
indem er Seemannsmesser oder Maschendrahtzaun zerbeißt.
So beginnt Ruß, der erste Text der 2017 im amerikanischen Original unter dem Titel Calling a Wolf a Wolf erschienenen Gedichtsammlung des in Teheran geborenen Lyrikers Kaveh Akbar.
Und gerade in dieser alternativlosen Schonungslosigkeit liegt die Brillanz dieses Gedichts wie auch der folgenden Texte. Als fühle sich der Verfasser bemüßigt, den Leser durch eine kontrollierte Flut unvergesslicher Bilder für das Wesentliche zu sensibilisieren, Bilder, die keinerlei Falschinterpretation zulassen. Sein Bekenntnis besteht hingegen allein darin, die Dinge beim Namen zu nennen, sich nicht mit Zweideutigkeiten aufzuhalten oder sich in Füllwörtern und Allgemeinplätzen zu verlieren, sondern zu sagen, dass zum Beispiel ein Wolf ein Wolf ist und es immer bleiben wird.
Erinnerst du dich, als du durch meinen Mund geatmet hast, dein Atem mein Atem wurde?
Erinnerst du dich, als du für mich gesungen hast und ich zu Boden stürzte,
mich in tausend Mäuse verwandelte? Was auch immer wir damals vollführten,
es kann nicht ohne dich geschehen. Ich dachte, ich sah dich letztes Jahr,
Rinde um die Hüfte geschlungen, wie du in der Dämmerung zum Ufer getorkelt bist.
…
Verwundete Wölfe trotten fort von ihrem Rudel, um allein und kalt zu sterben. Weißt du nicht, wie fürchterlich es
hier ist?
Kaveh Akbar schreibt über die Abwesenheit von Gott, er lässt sich über seinen Vater aus, die Fremde abseits einer Heimat, die er nicht kennt, über seine Trunksucht und tiefe Zerrissenheit.
Im Gedicht Erbe verarbeitet er das Verbrechen an einer jungen Frau. Die Iranerin wurde 2014 erhängt, da sie einen Mann tötete, der sie zu vergewaltigen versuchte. Akbar schreibt: … möge Gott uns wachprügeln, unsere Hirne ins Leben peitschen, mögen wir jeden Sieg an der flüchtigen Abwesenheit von Schmerz messen, es gibt keinen Trost in der Geschichte.
Man muss selbst gelitten haben, damit es gelingt, derartige Bilder aus dem Kopf und aufs Papier zu bringen. Einfach nur ausdenken kann man sich so etwas nicht. Aber indem Kaveh Akbar sich selbst in seiner Eloquenz nicht schont, weiß er um die Macht der Worte, und man glaubt in jeder Zeile zu spüren, welchen Mut und welche Kraft ihm dies abverlangt haben muss. Darin liegt seine eigentliche Größe.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln