Belletristik

Drucken

Buchempfehlung Belletristik

Autor
Ahmad, Jamil

Der Weg des Falken

Untertitel
Übersetzt von Ditte und Giovanni Bandini
Beschreibung

Tor Baz, der titelgebende „schwarze Falke“, hat es schwer im Leben. Kaum geboren, werden seine Eltern, die gegen die Stammesregeln verstoßen haben, brutal umgebracht, der kleine Junge in der Wüste zurückgelassen. Soldaten nehmen ihn mit, dann reist er mit einem Mullah weiter, lebt vorübergehend in einer Familie, deren Sohn ums Leben gekommen ist. Sein Weg hat kein Ziel, abgesehen vom nackten Überleben in den Steinwüsten Belutschistans, dem Grenzland zwischen Pakistan, Afghanistan und Iran. Für ihn ist der Weg das Ziel, denn er ist Nomade.

„Der Weg des Falken“ ist nicht nur poetisch und großartig geschrieben, es ermöglicht auch ein sehr viel tieferes Verständnis der Konflikte in der Region, ohne je belehren zu wollen. Mit anderen Worten: ein großartiges Werk, dem ich sehr, sehr viele Leser wünsche.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hoffmann und Campe, 2013
Format
Gebunden
Seiten
192 Seiten
ISBN/EAN
978-3-455-40394-7
Preis
19,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Jamil Ahmad wurde 1933 in Jalandhar, Indien, geboren. Als pakistanischer Staatsbeamter arbeitete er vor allem in der Frontier Province und Belutschistan. 1979 war er als Minister in der pakistanischen Botschaft in Kabul tätig. Sein Debüt Der Weg des Falken wurde erst dreißig Jahre nach seiner Entstehung veröffentlicht. Ahmad lebt mit seiner deutschen Frau in Islamabad. Der Weg des Falken wurde nominiert für die Shortlist des Man Asian Literary Prize sowie die des Commonwealth Prize.

Zum Buch:

Tor Baz, der titelgebende „schwarze Falke“, hat es schwer im Leben. Kaum geboren, werden seine Eltern, die gegen die Stammesregeln verstoßen haben, brutal umgebracht, der kleine Junge in der Wüste zurückgelassen. Soldaten nehmen ihn mit, dann reist er mit einem Mullah weiter, lebt vorübergehend in einer Familie, deren Sohn ums Leben gekommen ist. Sein Weg hat kein Ziel, abgesehen vom nackten Überleben in den Steinwüsten Belutschistans, dem Grenzland zwischen Pakistan, Afghanistan und Iran. Für ihn ist der Weg das Ziel, denn er ist Nomade.

In neun lose verbundenen Kapiteln erzählt Jamil Ahmad Episoden aus dem Leben seines Titelhelden, aber vor allem erzählt er vom Sterben der Nomadenkultur in einer Weltgegend, die wir nur noch als Rückzugsgebiet der Taliban kennen. Jahrhundertelang zogen die Stämme mit ihren Kamelherden im Sommer durch die Wüste und im Winter nach Afghanistan, bis die Engländer und die Deutschen plötzlich Grenzen zogen, die später von Pakistan und Afghanistan gesichert wurden. Was das für diese uns so fremde Kultur bedeutete, die perfekt an die lebensfeindliche Natur angepasst war, vermittelt der Autor in einer so schlichten wie schönen Sprache aufs eindrücklichste. Wir erleben die ungläubige Ratlosigkeit der Stammesgruppe mit ihren Tausenden von Kamelen, denen die Grenzsoldaten den überlebenswichtigen Weg ins Winterlager versperren. Wir sind dabei, wenn die Frauen im Vertrauen auf die schützende Wirkung des Korans, den sie sich auf den Kopf gelegt haben, auf die Soldaten zugehen – direkt in das Gewehrfeuer hinein. Wir sehen schadenfroh den Tricks zu, mit denen gewiefte Nomaden die Engländer und die Deutschen zum eigenen Vorteil gegeneinander ausspielen, und verfolgen voller Mitgefühl den Autoritätsverlust der Stammesältesten, die mit den neuen Gegebenheiten nicht mehr zurechtkommen. Wir leiden mit den Frauen, die vogelfrei sind, sobald der männliche Beschützer tot oder auf Reisen ist. Wir staunen über das System von Entführung und Lösegeld, von dem alle, auch die Entführten, profitieren. Wir erfahren von der Gastfreundschaft, dem Witz und der Tapferkeit der Männer und sind entsetzt über die Brutalität der Stammesgesetze, die nicht nur, aber vor allem die Frauen trifft. Mit jeder neuen Seite des schmalen Buches verstehen wir diese uns so fremde Kultur besser, können den Tunnelblick der europäischen Perspektive allmählich aufgeben, obwohl das Buch jede Verklärung oder Romantisierung verweigert.

Es wundert nicht, dass Jamil Ahmads Buch, das er schon in den siebziger Jahren geschrieben hat, aber erst jetzt veröffentlichen konnte, ein so großer Erfolg geworden ist. „Der Weg des Falken“ ist nicht nur poetisch und großartig geschrieben, es ermöglicht auch ein sehr viel tieferes Verständnis der Konflikte in der Region, ohne je belehren zu wollen. Mit anderen Worten: ein großartiges Werk, dem ich sehr, sehr viele Leser wünsche.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main