Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Aehnlich, Kathrin

Wenn die Wale an Land gehen

Untertitel
Roman
Beschreibung

Die 50jährige Rosemarie reist nach New York, um ihre Jugendliebe Mick zu suchen. Eine Schnapsidee – buchstäblich –, die ihr Ex-Ehemann Wladimir ihr bei einem Abschiedstrunk nach der Scheidung in den Kopf gesetzt hat. Mick – „nach du weißt schon wem“ –, den sie am Anfang ihres Ingenieurstudiums in Leipzig kennen gelernt hat.

„Wenn die Wale an Land gehen“ ist ein Buch über das Erwachsenwerden in der DDR, in einem Land, das selbst die kleinen Fluchten seiner Einwohner argwöhnisch überwacht und wohl letztlich jeden auf den Boden des real existierenden Sozialismus geholt hat. Die Autorin erzählt das in einer trockenen, lakonische Sprache und sie hat einen herrlichen Sinn für schräge Situationen, Typen und Komik.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Aufbau Verlag, 2015
Format
Taschenbuch
Seiten
253 Seiten
ISBN/EAN
978-3-7466-3121-9
Preis
9,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Kathrin Aehnlich, geb. 1957 in Leipzig. Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen, 1985-88 am Literaturinstitut in Leipzig. Abschlußarbeit. Veröffentlichte Hörspiele, Erzählungen und ein Kinderbuch. Journalistische Arbeit, zunächst für Die andere Zeitung, seit 1992 feste freie Mitarbeiterin in der Feature-Redaktion von mdr Figaro. Autorin und Regisseurin von Hörfunkfeatures und Dokumentarfilmen.

Zum Buch:

Die 50jährige Rosemarie reist nach New York, um ihre Jugendliebe Mick zu suchen. Eine Schnapsidee – buchstäblich –, die ihr Ex-Ehemann Wladimir ihr bei einem Abschiedstrunk nach der Scheidung in den Kopf gesetzt hat. Mick – „nach du weißt schon wem“ –, den sie am Anfang ihres Ingenieurstudiums in Leipzig kennen gelernt hat. Ihr Freund, ihr Liebster, Motor und Mittelpunkt einer verrückten Freundesgruppe, die in der DDR der 80er Jahre in ihrer eigenen Welt lebt – soweit das möglich ist. Sie machen Theaterprojekte, filmen, fotografieren, führen eine Rockoper (für fünf Mitwirkende) auf, hören Blues und Rock. Sie gewinnen den Absurditäten des langsam vor sich hinsiechenden Staates einen eigenen Witz ab, haben große Pläne. Bis am Ende des Studiums nicht die Angst vor der Perspektivlosigkeit steht, sondern der garantierte Platz in der Arbeitswelt – lebenslänglich. Und dann tauchen bei einigen von ihnen seltsame neue „Bekannte“ auf, die ihre Dienste anbieten – gegen Gegenleistungen, versteht sich.

Mit der Ankunft im Alltag bricht das Freundesgefüge auseinander, und auch Rosies Beziehung zu Mick nimmt ein Ende. Der Kontakt wird sporadisch, und irgendwann heißt es, er sei in die Türkei geflohen. Aus „Rose“ wird wieder Rosie. Sie arbeitet in einem Betrieb, heiratet, bekommt ein Kind und lernt die alltägliche Gleichgültigkeit des Arbeiter- und Bauernstaates mehr als gründlich kennen. Bis die Mauer fällt. Was aber auch nicht wirklich viel in Rosies Leben umkrempelt. Bis sie nach 25 Jahren freundlich-gleichgültigen Zusammenlebens mit Wladimir merkt, dass es für eine Ehe nicht genug ist, wenn man sich einfach nur nicht scheiden lässt.

So ist sie nun in New York gelandet, und macht sich mit nicht mehr als dem Absender auf einer drei Jahre alten Postkarte auf die Suche nach Mick und vielleicht nach dem, was ihr im Laufe des Lebens immer mehr abhanden gekommen ist: Sehnsucht, Träume, Spontaneität.

Kathrin Aehnlich, 1957 in Leipzig geboren, hat wie ihre Heldin Ingenieurwesen und später am Institut für Literaturwesen studiert. „Wenn die Wale an Land gehen“ ist ein Buch über das Erwachsenwerden in einem Land, das selbst die kleinen Fluchten seiner Einwohner argwöhnisch überwacht und wohl letztlich jeden auf den Boden des real existierenden Sozialismus geholt hat. Die Autorin hat eine wunderbar trockene, lakonische Sprache und einen herrlichen Sinn für schräge Situationen, Typen und Komik. Aber das Buch ist zum Glück keine DDR-Klamotte. Je älter die Protagonisten werden, je mehr der Alltag sie einholt, desto beklemmender liest es sich, und bei der Schilderung von Rosemaries Kampf gegen das ignorante, selbstgerechte und menschenverachtende Gesundheitssystem bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Da verzeiht man das etwas arg märchenhaft geratene Amerika dem Buch dann gern.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt