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Ende März 1948 sitzt John Steinbeck an der Bar des Bedford Hotels in New York City und bläst Trübsal. Er hat gerade ein Drama völlig verhauen und jetzt weiß er nicht, was er als Nächstes in Angriff nehmen soll. Da geht die Tür auf und ein leicht verzweifelt dreinschauender Robert Capa betritt die Bar. Die letzte Pokerrunde des Fotografen ist völlig in die Hose gegangen, sein neuester Bildband ist gerade im Druck und er hat keine Idee, wie es weitergehen könnte. Also genehmigen sich die beiden ein paar Drinks und unterhalten sich darüber, »was es in der Welt für einen ehrlichen und liberal denkenden Mann noch zu tun geben könnte«.
Überhaupt ärgern sie sich schon seit Langem, weil Nachrichten, gerade was das hochaktuelle Thema Sowjetunion angeht, heutzutage gar keine richtigen Nachrichten mehr sind und obendrein von Leuten geschrieben werden, die nie vor Ort waren. Irgendwann nach der x-ten Runde fällt ihnen auf, dass gerade über die Dinge nicht geschrieben wird, die sie selbst am meisten interessieren: Wie leben diese Russen eigentlich? Was essen sie zu Mittag? Welche Zigarettenmarken rauchen sie? Wie steht es um ihr Liebesleben und wie bringen sie ihre Toten unter die Erde? Sie beschließen also, das selbst herauszufinden. Sie stellen sich eine Reportage vor, möglichst wertfrei und ohne vorab Kritik. Sie wollen sich Zeit nehmen, drei, vier Wochen. Steinbeck soll schreiben und Interviews führen, Capa die Fotos beisteuern. Sie informieren einen Redakteur der Herald Tribune über ihr Vorhaben, und als dieser grünes Licht gibt, packen sie ihre Sachen und fliegen – über Umwege, denn schließlich ist man mitten im Kalten Krieg – in Richtung Sowjetunion.
»Unser Plan lautete folgendermaßen: Wenn es uns gelingen würde, wäre das eine feine Sache und eine feine Story obendrein. Und wenn es uns nicht gelingen würde, hätten wir gleichfalls eine Story, nämlich jene, dass es uns nicht gelungen war«.
Als sie nach zwei Monaten wieder zurück in New York sind, hat Capa über viertausend Bilder geschossen und Steinbeck mehrere hundert Seiten voller Notizen in der Tasche. Genug Material für eine der ungewöhnlichsten, mitunter absurd komischsten Reportagen, die vielleicht jemals geschrieben wurden. Der Plan ist auf gegangen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln