Zum Buch:
“Das Alter ist ein Massaker”, resümiert Phillip Roth in seinem “Jedermann”, und wenn der Roman des Amerikaners ein wütender Aufschrei gegen die Zumutungen dieser Lebensphase ist, erscheint Robert Asbäckas ergreifendes Portrait eines schwedischen Greises wie eine ruhig dahinfließende Elegie, die vom ersten bis zum letzten Kapitel die Innensicht des vergrübelten Thomasson ausbreitet, auf dessen stille Obsession der Orginaltitel rekurriert: Der Orgelbauer.
Seit seine Frau Siri beim Untergang der Fähre “Estonia” auf dem Grund der Ostsee ruht, hat er in aller Stille und Heimlichkeit begonnen, in seiner Wohnung eine Barockorgel zu errichten. Dass seine Frau, eine leidenschaftliche Verehrerin J. S. Bachs, seinen dänischen Lieblingskomponisten Dietrich Buxtehude als “Zwerg unter Giganten” einstufte, ficht den Tüftler nicht an. Ihm geht dessen Membra Jesu nostri über alles; eine 1680 in Stockholm uraufgeführte musikalische Meditation, die den gequälten Gottessohn im Detail in seiner anfälligen irdischen Leiblichkeit abbildet: “Füße, Knie, Hände, Seite, Brust, Herz und schließlich Gesicht.” Diese sieben Worte sind identisch mit den Kapitelüberschriften des Romans, und sie stellen in einer verhalten aufspielenden Orgel aus Wörtern und Sätzen nicht nur den leidenden Leib Christi dar, sondern sie benennen die Körperteile, über deren Ausfall sich Schritt für Schritt das Lebensende dieses in sich gekehrten Einzelgängers ankündigt: “Das Alter ist keine Krankheit, aber man stirbt daran.”
Dass sich die Bilanz dieses Lebens nicht in Starrsinn und Verbitterung erschöpft, ist neben der psychologischen Feinfühligkeit und dem sprachlichen Nuancenreichtum Asbackas Sinn für die Unzerstörbarkeit einer menschlichen Grundempfindung zu danken: der Liebe. Und so enden der Roman und die diesseitige Existenz seines Helden mit einer Stimme, “die auf einmal ertönt, nicht lauter und lauter, aber näher und näher. Möchtest Du mein Gesicht berühren
noch einmal?”
Auch dem jüngeren Leser durchaus an Herz zu legen: Ein wunderbar stilles Buch aus dem Norden Europas.
Günter Franzen, Frankfurt am Main