Zum Buch:
Elling ist frei. Raus aus dem betreuten Wohnen, hinein ins selbstbestimmte Glück: seine große Chance, wenn auch erst mit 58. Ambjørnsens Romanheld, seit der Verfilmung der Elling-Romane nicht nur in Norwegen in aller Munde, ist nach fast 20 Jahren zurück und erprobt sich im Alltag zwischen großen und kleinen Lügen, Selbsttäuschungen und Phantasien auf der Suche nach Zuneigung, Wahrheit und einem passablen Umgang mit dem Alter. Und das mitten im ganz normalen Wahnsinn unserer Gesellschaft: herrlich skurril, dabei messerscharf beobachtet.
Es ist Mitte September und es regnet, als Elling in seine neue Unterkunft, eine Sockelwohnung im Osloer Vorort Grefsen, einzieht. Seine verwitwete Vermieterin, die Kassiererinnen beim Spar um die Ecke, ein alter Arzt, dessen Sprechstundenhilfe und die jungen Angestellten im Café Schwan, das sind die Menschen, mit denen Elling im Alltag Kontakt hat. Und um sie kreisen seine Gedanken, unablässig.
Über Facebook macht er sich – allerdings mit einem gefakten Profil als Gastrobaron – ein paar Freunde. Sogar für den weißen Kater, der seit ein paar Tagen im Garten herumstreicht, glaubt er, das Leberwurstbrot extra dick bestreichen zu müssen, um ihn in die eigene Bude mit dem fensterlosen Schlafzimmer und dem Schimmelpilz im Bad locken zu können. Elling nennt den Kater Bjarte (der Helle), ziemlich nah am Namen seines verlorenen Freundes Kjell Bjarne; auch von Freund Alfons Jørgensen hat Elling schon Abschied nehmen müssen.
Unverstellt ist Ambjørnsens Blick auf das Altern seines Helden. Die Jahreszeit, eine Wohnung halb unter der Erde, die Einsamkeit, Zwanghaftigkeiten wie das Überprüfen von Kochplatten und abgeschlossenen Türen – das alles spricht eine deutliche Sprache. Auf den ersten Seiten muss man tatsächlich ein paarmal tief Luft holen. Aber mit der Lektüre wächst die fast schon zärtlich zu nennende Zuneigung zu dem alternden Antihelden, zu allen mehr oder weniger geblendeten Zeitgenossen – und schließlich auch die Gelassenheit im Blick auf das eigene Altern! Und dann diese Sprache – leise, dabei sehr präzise, manchmal drastisch, zuweilen lyrisch und oft genug strotzend vor belebendem Sarkasmus: echt Ambjørnsen, und großartig übersetzt von seiner Partnerin Gabriele Haefs.
Susanne Rikl, München