Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Amann, Jürg

Der Kommandant

Untertitel
Monolog
Beschreibung

Rudolf Höß, lange Jahre Lagerkommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, hatte während seiner Haftzeit nach 1946 seine Memoiren verfasst. Der Schriftsteller und Theaterdramaturg Jürg Amann hat daraus einen Monolog extrahiert, der die Kälte und bodenlose Naivität, die Höß´s Denken ausmachte, noch herausstreicht. Ein bewegendes Stück Literatur.

Verlag
Arche Literatur Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
112 Seiten
ISBN/EAN
978-3-7160-2639-7
Preis
14,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur, Studium der Germanistik, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller (Prosa, Theaterstücke, Hörspiele, Lyrik, Essays). Zahlreiche Preise, u. a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis, ausgezeichnet bei der Florina 2002 für Auszüge aus “Mutter töten”. Er lebt in Zürich.

Zum Buch:

»Im Frühjahr 1942 gingen Hunderte von blühenden Menschen unter den blühenden Obstbäumen des Bauerngehöfts, meist nichts ahnend, in die Gaskammern, in den Tod. Das Bild vom Werden und Vergehen steht mir auch jetzt noch genau vor Augen.«

»Und doch glaubten alle in Auschwitz: der Kommandant hat doch ein schönes Leben. “Ja, meine Familie hatte es in Auschwitz gut. Jeder Wunsch, den meine Frau, den meine Kinder hatten, wurde erfüllt. Die Kinder konnten frei und ungezwungen leben. Meine Frau hatte ihr Blumenparadies.”

»Die Häftlinge taten alles, um meiner Frau, um den Kindern etwas Liebes zu tun, um ihnen eine Aufmerksamkeit zu erweisen. Es wird auch kein ehemaliger Häftling sagen können, dass er je in unserem Haus schlecht behandelt worden sei.«

»… sie planschten im Sommer im Planschbecken im Garten oder im Flusslauf der Sola. Ihre größte Freude war jedoch, wenn Vati mit badete.« »Beispiele nur, die mir gerade erinnerlich sind, ein kleiner Ausschnitt aus dem reichlich bunten Leben in einem Konzentrationslager.«

Der das sagt, war Obersturmbandführer der SS und von Mai 1940 bis November 1943 Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz. Er war maßgeblich an der Vernichtung von mehreren Millionen Menschen beteiligt. 1946 wurde er verhaftet und an Polen ausgeliefert, 1947 dann in Auschwitz gehängt. Gleich gegenüber seiner ehemaligen Residenz mit dem schönen Blumengarten davor. Seine Name: Rudolf Höß.

»Angesichts der Wirklichkeit ist alles Erfinden obszön«, so beginnt der Schweizer Schriftsteller und Theaterdramaturg Jürg Amann seine editorische Notiz zu seinem Rudolf-Höß-Monolog. Zunächst für die Theaterbühne oder als Hörspiel gedacht, basierend auf den Selbstzeugnissen, die Höß in der Zeit nach seiner Verhaftung zu Papier brachte, hat Jürg Amann einen dramaturgischen Extrakt dieser Aufzeichnungen in ein schmales 100-Seiten-Bändchen gepackt, das gerade im Arche Verlag erschienen ist. Und wenn man diesen obigen Satz mehrmals hintereinander liest, dann kommt man doch schon ins Grübeln.

Der absolute Mangel an Einfühlungsvermögen oder gar Reue, den Höß in seinen Schilderungen an den Tag legt, seine Gleichgültigkeit den Opfern gegenüber, seine bodenlose, beinahe beschämende Naivität, die sich mit jedem Satz steigert, das haltlose Gerede über seine Jugend in Baden-Baden, wo er sich, da er keine Freunde hatte, im Wald herumtrieb, wobei es ihm die Schwarztannen besonders angetan hatten, das Planschen im nahen Bach – man kann nicht anders, man möchte diesen Menschen packen und durchschütteln. Aber er redet immer weiter und weiter, und der Zorn schnürt einem die Kehle zu. Ein beklemmendes Stück Literatur.

Axel Vits, der andere Buchladen, Köln