Zum Buch:
AliideTruu ist eine alte Frau. Sie lebt allein auf ihrem Hof in Estland und ist auf der Jagd nach einer Schmeißfliege, als sie in ihrem Garten unter der vom Blitz gespaltenen Birke ein Bündel entdeckt. Das Bündel entpuppt sich als junge Frau: Zara ist auf der Flucht, ihr Körper von zahlreichen Misshandlungen gezeichnet. Sie hat einen Mann getötet, um der Hölle zu entkommen. Sie hat Aliide Truu gesucht. Aber davon weiß die alte Frau nichts.
In dem Maß, in dem die beiden Frauen sich näher kommen immer misstrauisch und immer auf der Hut verwebt sich ihrer beider Leben, verweben sich die Erzählstränge von Aliide und Zara in entgegengesetzter Richtung. Das Leben Aliides ist nur aus der stalinistischen Vergangenheit Estlands zu verstehen, das Leben Zaras aus dem Grauen der Gegenwart. Aliide ist die Schwester von Zaras Großmutter Ingel. Ingel, die im Haushalt alles besser gemacht hat. Ingel, die den Mann geheiratet hat, in den Aliide verliebt war. Ingel, die mit ihrer Tochter Linda unter Stalin deportiert wurde, nachdem eine Agentin mit dem Namen Fliege sie denunziert hat. Ingel, die nie nach Estland zurückgekehrt ist. Zara ist bei Ingel und der Mutter Linda aufgewachsen. Sie ist wie viele andere Mädchen Zuhältern ins Netz gegangen und wird als Sklavin gehalten, bis sie ausbricht.
Das vor der Romanfassung entstandene Theaterstück wird ab Februar 2011 in New York am La MaMa Theater zu sehen sein das erste finnische Theaterstück, das von einer professionellen amerikanischen Bühne in den Spielplan aufgenommen worden ist. Für die Wahl einer Romanlektüre ist das nicht unbedingt ein Argument. Die Entscheidung des La MaMa aber macht deutlich, in welchem Maß das Stück politisch aktuell, aufklärerisch, schonungslos realistisch ist und wie viel Zündstoff, Action und Spannung es neben all dem auch noch in sich birgt. Das gilt für den Roman in gleicher Weise.
Susanne Rikl, München