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Autor
Lilin, Nicolai

Sibirische Erziehung

Untertitel
Aus dem Italienischen von Peter Klöss
Beschreibung

Ihre Namen lauten: Pest, Engel, Finger, Grab, Seil, Teufel. Namen, die sie sich erst einmal verdienen mußten, ebenso wie die Pika, das traditionelle Springmesser mit extrem langer, schmaler Klinge. Sie sind die direkten Nachfahren der Urki, einer Gemeinschaft sibirischer Krimineller, die »unter Stalin an die Grenze zum heutigen Moldawien deportiert wurden, in ein Niemandsland namens Transnistrien.« Und dies ist die Geschichte ihres Untergangs, erzählt von einem der ihren. Ziemlich harter Stoff.

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2010
Format
Taschenbuch
Seiten
453 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-46162-4
Preis
14,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Nicolai Lilin, geboren 1980 in der Stadt Bender in Transnistrien, vormals Teil Moldawiens, kam 2003 nach Italien, ins piemontesische Cuneo, wo er als Tattoo-Künstler lebt.

Zum Buch:

Sie sind die Nachfahren der sibirischen Urki, sie haben ihre Bräuche, ihre Zeremonien. Sie leben nach ihren eigenen, ungeschriebenen Gesetzen, einem Kodex, der jegliches Verhalten innerhalb der eingeschworen Gemeinschaft regelt, der keinerlei Abweichungen vorsieht. So müßen die Urki beispielsweise immer die Wahrheit sagen, dürfen aber niemals, unter keinen Umständen, mit Polizisten sprechen, denn das sind Köter, und mit Kötern redet man nicht. Konflikte innerhalb der Gemeinschaft regeln sie unter sich, auf ihre Art. Erpressung und Wuchergeschäfte sind tabu, stehlen und töten dagegen völlig in Ordnung, solange es gerechtfertigt ist und es den Staat (also die Köter) oder Reiche trifft. Verboten ist z.B. alles Amerikanische. Die Urki haben es nicht so mit dem Pomp, im Gegenteil, sie mögen es eher schlicht und uniform; sie leben nicht in Villen, geben ihr Geld nicht für teure Kleider, Schmuck oder Nobelkarossen aus, die Urki kaufen sich lieber Waffen. Unmengen von Waffen. Und orthodoxe, unheimlich teure Ikonenbilder.   Nicolai Lilin erzählt in seinem äußerst persönlichen Buch „Sibirische Erziehung“ von seiner Jugend als Urki im heutigen Transnistrien, und er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und hält sich an keiner Stelle zurück. Zum Teil fragt man sich dann wirklich, ob das denn alles wahr sein kann, das ist ziemlich harter Tobak, auch wenn Lilin es sehr gut versteht, hier und da richtiggehend witzige Einlagen unterzubringen. Schreiben kann er, das gewiß.      In einem Interview mit Roberto Saviano hat er einmal erklärt: »Ich wollte Geschichten erzählen, die nur wenige kennen und die in Vergessenheit zu geraten drohen, und wollte sie bekannt machen. […] Es sind die Geschichten meiner Leute, die vom Kapitalismus, wie er heute existiert, vernichtet wurden.« Das Buch endet an dem Punkt, da Lilin den Absprung findet, wobei man dann auch gleich verraten muß: erzwungenermaßen. Denn er wird eingezogen. Ich hoffe jedoch, daß er demnächst auch den zweiten Teil seiner Geschichte zu Papier bringen wird, denn, wie gesagt, schreiben kann er verdammt gut.     Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln