Zum Buch:
Mitten in Mississippi, am Arsch der Welt, herrscht vor allem eins: das nackte Elend. Hier haust die 14jährige Esch mit ihren drei Brüdern Randall, Skeetah und Junior, dem Pitbull China und dem ständig besoffenen Vater inmitten von Schrott und Autowracks. Im Radio wird vor einem Sturm gewarnt, aber das kennt man hier. Zwar versucht der Vater, das verfallene Haus einigermaßen wetterfest zu machen, aber Esch hat anderes zu tun, als über das Wetter nachzudenken. Sie ist – mit Ausnahme der Hündin – das einzige weibliche Wesen im Haus, seitdem ihre Mutter bei Juniors Geburt gestorben ist, und muss sich um ihn kümmern. Außerdem ist sie schwanger, und zwar von Manny, der sie beim Sex nie ansieht und eine feste Freundin hat, die er ihretwegen nicht verlassen will. Aber dann kommt der Sturm doch, ein veritabler Hurrikan, der Catrina genannt wird …
Jesmyn Ward erzählt unsentimental, brutal und glasklar von einem Amerika, das in der Literatur lange nicht mehr aufgetaucht ist: ein armes, elendes, schwarzes Amerika, für das der „american dream“ nie existiert hat. Sie erzählt aus der Perspektive ihrer 14jährigen Protagonistin, die kein anderes Leben kennt und deshalb mit größter Selbstverständlichkeit und wie nebenbei von Brutalitäten, die einen wie ein Schlag in den Magen treffen, genauso erzählt wie von der Suche nach Liebe, Anerkennung, Zärtlichkeit. Sie erzählt von einer schwarzen Gemeinschaft, in der Weiße nirgendwo auftauchen und der Rassismus dennoch deutlich wird: durch die Unwissenheit und Hilflosigkeit zum Beispiel, mit der Esch absurde und gefährliche Abtreibungsmöglichkeiten aufzählt. Und sie lässt in all dem Schrecken und Elend immer wieder lyrische Sprachbilder aufscheinen, die den ganzen Text zum Leuchten bringen – über alle Katastrophen hinaus.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main