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Autor
Wannous, Dima

Die Verängstigten

Untertitel
Roman. Aus dem Arabischen von Larissa Bender
Beschreibung

Die Liebesgeschichte von Suleima und Nassim beginnt in Damaskus, im Wartezimmer ihres Psychiaters Kamil. In dem winzigen Raum drängen sich Patienten mit Angststörungen, die ihre Panikattacken nur mit Medikamenten in Schach halten können. Suleima traut sich kaum aus ihrer Wohnung; Nassim, der Schriftsteller, wird von seinen Ängsten am Schreiben gehindert. Über Jahre hinweg treffen sich die beiden, ohne sich je wirklich nahe kommen zu können. Als der Bürgerkrieg ausbricht, flieht Nassim nach Deutschland, hinterlässt Suleima allerdings den Schlüssel zu seiner Wohnung. Dort findet sie ein Manuskript, das die Geschichte von Salma erzählt, die eine unheimliche Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Geschichte aufweist …
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Blessing Verlag, 2018
Format
Gebunden
Seiten
256 Seiten
ISBN/EAN
978-3-89667-627-6
Preis
20,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Dima Wannous, geboren 1982 in Damaskus, studierte Französische Literatur an der Universität Damaskus und an der Sorbonne in Paris. Seit 2003 schreibt sie regelmäßig für arabischsprachige Tageszeitungen, von 2012 bis 2014 arbietete sie für das Onlinemagazin “Modon”. Wannous lebt derzeit in London. DIE VERÄNGSTIGTEN ist der erste Roman der Autorin, der auf Deutsch erscheint und ist auf Platz 1 der Litprom-Bestenliste.

Zum Buch:

Die Liebesgeschichte von Suleima und Nassim beginnt in Damaskus, im Wartezimmer ihres Psychiaters Kamil. In dem winzigen Raum drängen sich Patienten mit Angststörungen, die ihre Panikattacken nur mit Medikamenten in Schach halten können. Suleima traut sich kaum aus ihrer Wohnung; Nassim, der Schriftsteller, wird von seinen Ängsten am Schreiben gehindert. Über Jahre hinweg treffen sich die beiden, ohne sich je wirklich nahe kommen zu können. Als der Bürgerkrieg ausbricht, flieht Nassim nach Deutschland, hinterlässt Suleima allerdings den Schlüssel zu seiner Wohnung. Dort findet sie ein Manuskript, das die Geschichte von Salma erzählt, die eine unheimliche Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Geschichte aufweist. Aber woher kannte Nassim all die Einzelheiten ihres Lebens, von denen sie ihm nie erzählt hat? Wer ist Salma? Gibt es sie überhaupt? Für Suleima scheint die einzige Möglichkeit zur Lösung der immer stärkeren Identitätsverwirrung die Suche nach der Frau zu sein, die ihr so ähnlich ist, und diese Suche führt sie zwangsläufig zurück zu ihrer eigenen Geschichte und der ihrer Familie.

Die mittlerweile fast 50-jährige Diktatur des Assad-Clans hat die syrische Gesellschaft bis zur fast völligen Lähmung in Angst versetzt. Das umfassende Überwachungssystem beginnt bereits in der Schule, wo „Klassenverantwortliche“ das Verhalten der Mitschülerinnen beurteilen und in Berichtsheften festhalten – „eine Übung in Verleumdung“ (68) –, und setzt sich in einer Willkür fort, die eine Unsicherheit erzeugt, die alle Lebensbereiche umfasst. Noch das harmloseste Verhalten kann entsetzliche Folgen haben, etwa wenn ein verliebter Junge verhaftet und bis in den Wahnsinn gefoltert wird, nur weil der Sohn eines hohen Beamten ein Auge auf dasselbe Mädchen geworfen hat, wenn ein Alewit eine Sunnitin heiratet oder auch nur, wenn man aus der falschen Stadt kommt wie aus Hama, deren Bewohner nach dem Aufstand von 1982 unter Generalverdacht stehen. In Dima Wannous Roman nehmen Angst und Erstarrung Gestalt an. Man könnte sagen, dass hier die Angst die eigentliche Protagonistin ist und sämtliche Figuren unerbittlich im Griff hält. Auf dieser Basis entfaltet die Autorin das Bild einer Gesellschaft, die im Wortsinn im Sterben zu liegen scheint – Väter und Brüder sind tot, todkrank oder psychisch gebrochen, die Frauen stumpf und zurückgezogen oder hasserfüllt und bösartig. Dass die Lektüre trotzdem nicht unerträglich wird, liegt an der sehr poetischen, zurückgenommenen Sprache, in der die physischen und psychischen Abgründe ausgelotet werden. Die Spiegelung der Geschichte Suleimas in der Salmas mag zunächst verwirrend erscheinen, erweist sich aber zunehmend als idealer Kunstgriff, um der Komplexität der Situation in Syrien gerecht zu werden.

Die Verängstigten ist keine leichte Lektüre, aber eine sehr erhellende und dringend nötige, um das Land und damit auch die hier lebenden syrischen Geflüchteten zumindest etwas besser zu verstehen. Dima Wannous hat uns ein auch literarisch herausragendes Buch über unerträgliche Zustände geschenkt, und dafür kann man nur dankbar sein.

Irmgard Hölscher, Frankfurt