Zum Buch:
Die in einer Momentaufnahme festgehaltene Stampede einer gewaltigen Herde afrikanischer Wasserbüffel, allesamt massige Tiere, pechschwarz, mit ausladenden, wie aus grobem Stahl gehämmerten Hörnern und dampfenden Nüstern, in ihrer wilden Flucht Unmengen feinen Staub aufwirbelnd und das doppelseitig in Schwarzweiß – das ist nur eine von vielen Fotographien von Sebastião Salgado, die auf mich eine ganz besonders fesselnde Wirkung ausübten. Ein Bild, von dem man sich einfach nicht wieder losreißen kann, ja, man hat schon die untere rechte Ecke zwischen den Fingern und will jetzt eigentlich umschlagen, aber es geht irgendwie nicht, man muss dann doch noch verweilen, muss das alles in sich aufsaugen, um zu begreifen, was man da sieht.
Was muss das für ein dröhnender Lärm gewesen sein? All diese Tiere in ihrer unaufhaltsamen Raserei, ihr Brüllen, das tausendfache Stampfen ihrer Hufe. Das ist es, was man beim Betrachten sich vorzustellen versucht, und das ist es, was die Bilder des brasilianischen Meisterfotographen ausmachen: das greifbar Lebendige, das in seiner Einzigartigkeit so besonders Eindringliche, das man dabei erfährt, und sei es beim Betrachten einer endlos kargen Landschaft irgendwo im Mittleren Westen der USA oder eines turmhohen, majestätisch dahintreibenden Eisbergkolosses oder zweier scheu in die Kamera blickenden Eingeborenenfrauen mit ihren hell bemalten Gesichtern, in ihren Fäusten lange, mit Federn geschmückte Speere.
Etwas nur annähernd Vergleichbares ist mir nicht bekannt.
Genesis, so beschrieb es einmal der Fotograf Sebastião Salgado, ist wohl die beste Umschreibung für Anfang. Und er führt weiter aus, das rund 46 % unseres Planeten sich noch immer in demselben Zustand befinden wie seit seiner Entstehung. Kaum zu glauben. Doch wenn man diese Bilder, diese Kunstwerke sieht, die Salgado hier vereint hat, dann wagt man zu hoffen, dann hofft man, das Bestehende hält sich. Auch wenn man nicht davon überzeugt ist: Die Bilder sprechen ihre eigene Sprache.
Nur schade, dass die dazugehörige Ausstellung nicht in Deutschland gastiert. Sie beginnt im April 2013 in London, reist dann über Rio nach Rom, Toronto, Paris, São Paulo, Lausanne, Singapur, Stockholm und endet schließlich im September 2015 in Montreal. Wer also zufällig in der Nähe sein sollte …
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln