Zum Buch:
Ein Mord geschieht. Oder eher nicht? Ist es möglich, dass es nur ein Unfall gewesen ist?
Nahe der Küste vor Brest sind der eher bescheidene, ehemalige Gutshausverwalter Martial Kermeur und der Immobilienspekulant und Lebemann Antoine Lazenec in einem kleinen Boot unterwegs, um gemeinsam Taschenkrebse und Hummer zu fangen. Für Lazenec ist es das erste Mal, daher ist er ziemlich aufgeregt. Als er sich gerade über den Bootsrand beugt, um seinen Fang hinaufzuziehen, stürzt er vornüber ins kalte Meer. Er rudert noch mit den Armen. Ruft um Hilfe. Dann geht er wie ein Stein unter. Kermeur wird kurze Zeit später von Gendarmen festgenommen, wegen Mordes beschuldigt und dem Haftrichter vorgeführt.
Was nun folgt ist die ungewöhnliche Verteidigungsrede eines einfach Mannes, der an Leib und Seele erfahren musste, was es heißt, nach Strich und Faden betrogen worden zu sein. Während er dem Richter rundheraus Auskunft über sein Leben gibt – das Scheitern seiner Ehe, die Mühen, die es macht, dem gemeinsamen Sohn ein Vorbild zu sein – kommt nach und nach ans Licht, dass nicht nur er allein dem Charme des Immobilienspekulanten auf den Leim gegangen ist, sondern dass sich gleich die ganze Gemeinde, ohne dass der Eine vom Anderen wusste, in den Ruin spekuliert hat.
Mit einfachsten Mittel, aber immer auf der Höhe literarischer Möglichkeiten, erzählt der französische Schriftsteller Tanguy Viel die Geschichte eines Nobodys, der um alles kämpft und der, als ihm nichts mehr bleibt, bereit ist, zum Äußersten zu gehen. Ein rundum gelungenes Lesevergnügen, das mich sehr an Tomás Gonzáles erinnert hat. Rechtzeitig zur Buchmesse gilt es einen jungen, französischen Schriftsteller zu entdecken, der sich mit seinem Stil bereits eine große Fangemeinde erobert hat.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln