
Agnès Varda (1928–2019) hat die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des Kinos im Laufe ihrer Karriere mit einer experimentierfreudigen Handschrift nachhaltig weiterentwickelt, die sie selbst als "cinécriture" bezeichnet. Vardas Schaffen, von "La Pointe Courte" (1954) über "Le Bonheur" (1965), "L’une chante l’autre pas" (1977) und "Les glaneurs et la glaneuse" (2000) zu "Visages Villages" (2017), bewegt sich zwischen dokumentarischem Realismus und poetischer Fiktion. Als eine der ersten europäischen Regisseur:innen überträgt sie Stilmittel aus Kunst, Literatur und Musik der Moderne auf die Leinwand. Spätestens seit ihrem internationalen Durchbruch mit Cléo de 5 à 7 (1961), in dem sich die Protagonistin vom Objekt männlicher Schaulust zu einer aktiv sehenden Flâneuse emanzipiert, sind Vardas modernistische Affinitäten mit einer feministischen Perspektive verknüpft. Im Jahr 2000 wendet sie sich begeistert kleinen Digitalkameras zu und schlägt mit über 70 Jahren eine dritte Karriere als Installationsku¨nstlerin ein. Ihr in sechs Jahrzehnten entstandenes Werk umfasst Film, Fotografie und Installationskunst und ist in dieser Vielfalt singulär. Der Band versammelt Beiträge, die die modernistischen, feministischen und essayistischen Aspekte in Vardas Schaffen im Sinne eines Netzwerks herausstellen.