Zum Buch:
Die Erzählungen der feministischen Theoretikerin und Frauenrechtlerin Shulamith Firestone wirken auf den ersten Blick bemerkenswert unausgewogen in ihrer Auswahl. Während manche der kurzen Schilderungen sich dramatisch zuspitzen, verläuft sich bei anderen die Spannung, bis sie sich verliert. In diesem Punkt sind die Portraits, wie die Autorin die Sammlung nennt, exemplarisch für das Leben. In dem auf eine Erniedrigung nicht zwangsläufig ein Aufbegehren, auf das Aufbegehren kein Ausbruch, auf die Begegnung mit der großen Liebe meist schlicht gar nichts folgt.
Die Personen, die Firestone beschreibt, sind Insassen einer psychiatrischen Anstalt, Teilnehmer von Wiedereingliederungs-Maßnahmen, Vergessene und Vereinsamte am Rande einer Gesellschaft. Eine Zwangsdusche mag die gleiche Erfahrung von Hilflosigkeit und Unselbstständigkeit bergen wie die Unmöglichkeit, in einer geschlossenen Anstalt Wert auf seine äußere Erscheinung zu legen. So schmerzlich dies für die portraitierten Personen auch sein mag, in den jeweiligen Einrichtungen gehören sie zum Alltagsgeschäft. Die Personen sind den Übergriffen, der subtilen wie groben Gewalt der Institutionen ebenso ausgeliefert wie ihrer Krankheit, die sich nicht selten ebenfalls autoaggressiv äußert. Einrichtungen, wie die Herausgeberin Chris Kraus im Vorwort so treffend schreibt, in denen „die Worte ‚Behandlung‘, ‚Aktivität‘ und ‚Gemeinschaft‘ zu Recht in Anführungszeichen erscheinen.
Firestone wird diesem Widerspruch gerecht, in dem ihre Darstellungen einerseits sehr präzise, mit einem genauen Blick für das Persönliche, andererseits aber nüchtern und sachlich gehalten sind. Dieser Erzählungsband, der auch als Reportage gelesen werden kann, ist exemplarisch für die feministische, literaturpolitische Bewegung dieser Zeit, in der sowohl Beschreibungen eines zwanghaften Alltags als auch autobiographische Arbeiten eine Hochphase erlebten.
Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt