Zum Buch:
Joshua Groß zählt seit seinem Roman Flexen in Miami zu den festen Stimmen der deutschsprachigen Gegenwarts- und Zukunftsliteratur. Jetzt geht er mit Prana Extrem dem Versuch der Autofiktion, die bereits in einigen Kurztexten der sehr lesenswerten Sammlung Entkommen angeklungen ist, mit spürbarem Interesse und unkonventionellem Witz nach. Joshua und Lisa, zwei junge und sehr verliebte AutorInnen, verbringen ihren Sommer in einem österreichischen Wintersportgebiet, wo sie Michael kennen lernen, einen jugendlichen Skispringer, der unter der Anleitung seiner Schwester intensiv für die kommende Weltmeisterschaft trainiert. Das schriftstellende Paar zieht kurzentschlossen in die Ferienwohnung der Geschwister, die in der Nebensaison ohnehin leer steht, und es beginnt eine Zeit, in der alle vier gemeinsam und jeder für sich auf unterschiedliche Weise nach dem Bewusstseinszustand suchen, den der Romantitel nennt: Prana extrem.
Prana ist eine Lebensenergie, die greifbare und nicht greifbare Bestandteile des Körpers erfasst; in einem Sinn Extraphysisches und Physis zusammen zum Schwingen oder besser noch zum Glühen bringt. Das Glühen, sei es visuell in einer künstlerischen Lichtinstallation oder durch die astralen Körper der in einem ortsnahen Biotop ansässigen Riesenlibellen, thermal wie die heißen Quellen oder energetisch wie die Anziehungskraft eines gestohlenen Meteoriten, ist nur eines der vielen klug angelegten und vielschichtigen Bilder, die Joshuas Groß’ Stil bestimmen. Zugleich mangelt es dem Roman keineswegs an Handlung: Bei aller Kontemplation, der Joshua nachgeht und in der das Leben einer Science-Fiction-Autorin großen Raum einnimmt, bleibt noch Platz für ein aufreibendes Paintballspiel, eine guerillahafte Poolstreichaktion – mit Sicherheit einer der Höhepunkte –, den schon erwähnten Meteoritenraub und vieles mehr. Der Roman erzählt nicht zuletzt eine Liebes- und Freundschaftsgeschichte, die neue Begriffe von Zärtlichkeit und Zuneigung austariert – ein Thema, das Joshua Groß’ Romane mit den Texten seiner Partnerin Lisa Krusche teilt. Die Darstellung der Beziehung der vier jungen Menschen genauso wie das Verhältnis Joshuas zu seiner Großmutter und zu FreundInnen aus seiner Heimatstadt, bezeugen, dass Literatur, die sich mit Popkulturellem, ästhetisch Futuristischem, aber auch Autofiktionalem beschäftigt, zu lange und zu einfach mit emotionaler Kälte und narzisstischer Selbstbespiegelung assoziiert wurde. Dass dieser Roman in seiner künstlerischen Innovation nicht für den Deutschen Buchpreis nominiert worden ist, ist schlicht nicht zu verstehen.
Theresa Mayer, Frankufrt a. M.