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Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Autor
Ali, Bachtyar

Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Untertitel
Roman. Aus dem Kurdischen (Sorani) von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim
Beschreibung

Djamschid Khan verbringt einen Großteil seines Lebens in der Luft, getragen von den Winden aus Ost und West, Nord und Süd. Wieder und wieder jedoch geschieht es, dass sein Körper aus Pergamenthaut und Knochen, der sich beim leisesten Windhauch erhebt, bei plötzlicher Windstille abstürzt. Dann vergisst er den letzten Abschnitt seines Lebens und beginnt ein neues. Bachtyar Alis feinsinnige Geschichte erzählt von der so mutigen wie tragischen Suche eines Menschen nach dem eigenen Selbst.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Unionsverlag, 2021
Seiten
160
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-293-00571-6
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Bachtyar Ali wurde 1966 in Sulaimaniya (Nordirak) geboren. 1983 geriet er durch sein Engagement in den Studentenprotesten in Konflikt mit der Diktatur Saddam Husseins. Er brach sein Geologiestudium ab, um sich der Poesie zu widmen. Sein erster Gedichtband Gunah w Karnaval (Sünde und Karneval) erschien 1992. Sein Werk umfasst Romane, Gedichte und Essays. Er lebt seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland. 2017 wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet.

Zum Buch:

Djamschid Khan verbringt einen Großteil seines Lebens in der Luft, getragen von den Winden aus Ost und West, Nord und Süd. Wieder und wieder jedoch geschieht es, dass sein Körper aus Pergamenthaut und Knochen, der sich beim leisesten Windhauch erhebt, bei plötzlicher Windstille abstürzt. Dann vergisst er den letzten Abschnitt seines Lebens und beginnt ein neues. Bachtyar Alis feinsinnige Geschichte erzählt von der so mutigen wie tragischen Suche eines Menschen nach dem eigenen Selbst.

Als Djamschid im Irak von den Baathisten verhaftet wird, ist der Sprössling einer reichen kurdischen Familie 17 Jahre alt. Keiner in seiner Sippe hatte bis zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass der Junge Kommunist geworden war. Selbst den grausamsten Folterungen hält er stand, und so wird in den Kerkern der Peiniger aus dem pummeligen Heranwachsenden ein Mensch aus Haut und Knochen, der im Hof des Sondergefängnisses von Kirkuk in einer kalten Winternach vom Wind ergriffen und davongetragen wird. In der Stadt seiner Väter flaut der Nordwind ab, Djamschid schlägt auf dem Dach einer Autowerkstatt auf und verliert sein Gedächtnis.

Doch mit der gleichen Leidenschaft, mit der er Kommunist gewesen ist, führt er als Späher aus der Luft im Iran-Irak-Krieg Tagebuch über die Schrecken der Gefechte, verfällt der Liebe zu einer Frau, die ihn betrügt, lässt sich vom Mullah der Zwei-Kuppeln-Moschee als schwebender Prophet zu seinem Werkzeug machen, frönt nach der Flucht aus dem Irak dem Lasterleben in Istanbul und verfällt schließlich dem schnöden Mammon. An keine seiner Lebensstationen jedoch wird er sich später erinnern.

Salar, Djamschids Neffe und nur drei Jahre jünger als er, ist nach dem ersten Absturz des schwebenden Mannes auf ganz konkrete Weise an dessen Schicksal gebunden: Zusammen mit seinem Cousin Smail verankert er Djamschid fortan mit Stricken am Boden. Bachtyar Ali lässt Salar die Geschichte dieses Lebens zwischen Himmel und Erde erzählen. Sprachlich von unglaublicher Leichtigkeit, kann man sie auch als Parabel von der Suche des Menschen nach Lebensinhalt, Glück und Erfüllung lesen. Sehr bewegend!

Susanne Rikl, München