Detail

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Autor
Postel, Jean-Philippe

Der Fall Arnolfini

Untertitel
Auf Spurensuche in einem Gemälde. Aus dem Französischen von Cordula Unewisse
Beschreibung

Der Fall Arnolfini, das klingt zunächst nach Krimi, und auch der Untertitel scheint durch den Begriff der „Spurensuche“ in diese Richtung zu deuten. Was hat es also auf sich mit diesem schmalen Buch über ein Bild von van Eyck aus dem 15. Jahrhundert, das unter dem Titel „Die Arnolfini-Hochzeit“ heute in der National Gallery in London zu sehen und vielen Menschen von unzähligen Reproduktionen in Kunst- und Schulbüchern bekannt ist? Das herauszufinden, ist ein seltenes und vor allem anhaltendes Vergnügen, handelt es sich doch neben der höchst spannenden und anregenden Erkundung eines Gemäldes vor allem um eins: eine bemerkenswerte und unvergessliche Schule des Sehens.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Verlag Freies Geistesleben, 2017
Format
Gebunden
Seiten
174 Seiten
ISBN/EAN
978-3-7725-3003-6
Preis
22,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Jean-Philippe Postel war bis vor wenigen Jahren noch praktizierender Allgemeinmediziner. Nun seziert er die kunstgeschichtlichen Theorien zu Jan van Eycks Gemälde »Die Arnolfini-Hochzeit« (1434). Sein unbefangener Blick fördert dabei so manch Unglaubliches zu Tage.

Zum Buch:

„Die Arnolfini-Hochzeit“, ein Bild, so bekannt wie rätselhaft: Ein Mann und eine Frau, offenbar wohlhabend, stehen in der Mitte eines opulent eingerichteten Raumes und halten sich an den Händen. Die Frau wirkt schwanger (was aber bei van Eyck keineswegs bedeuten muss, dass sie auch schwanger ist), der Mann ist blass, sehr ernst und hält die rechte Hand wie zum Schwur erhoben. Das Paar blickt sich nicht an; beide Blicke gehen nach unten. „Wenn wir es betrachten, sind wir in der Situation eines Lesers, der einen rätselhaften Krimi liest, dem das letzte Kapitel fehlt“ (S. 15), meint der Autor, für den aber auch alles da ist, um das Rätsel zu lösen, sofern man hinter das blickt, was er als „mit unübertrefflichem Geschick platzierte Täuschungsmanöver“ bezeichnet. Wie Sherlock Holmes, dessen Verfasser bekanntlich ebenfalls Art zwar, müssen wir die Lupe in die Hand nehmen und dem Motto des Buches folgen: „Hinsehen und noch einmal hinsehen und immer wieder hinsehen, und so gelingt es uns, zu sehen.“

Und so folgen wir fasziniert und mit immer größer werdenden Augen den Spuren, die uns der Autor mit so viel Charme wie Akribie zeigt, indem er, wie er sagt, die „Methoden aufmerksamer klinischer Beobachtung auf ein Werk der Malerei“ anwendet. Er beginnt mit der Provenienz und den verschiedenen Namen des Bildes sowie der rätselhaften Signatur, stolpert dann über eine rätselhafte Leerstelle: der kleine Hund, der zwischen den beiden Figuren sitzt, ist im Spiegel nicht zu sehen – ein Fehler des Malers? Kaum anzunehmen. Die rätselhaften Flecken, die mit Hilfe der Lupe auf der Hand des Mannes im Spiegel erkennbar werden, bieten Anlass zu einem Ausflug in die Religionsgeschichte. Die Symbolik der Farben und Stoffe wird entschlüsselt, aus der Anordnung der Figuren, Möbel und Pantoffeln ergeben sich Buchstaben und Wörter, die weitere Indizien für die Lösung des „Falls“ ergeben. Wie bei einem Krimi dürfen die Einzelheiten natürlich nicht verraten werden, aber wie beim Krimi fehlt natürlich auch die überraschende Wendung am Schluss nicht. Ob Postels Schlussfolgerungen richtig sind oder nicht, darüber mögen sich die Kunsthistoriker streiten. Für mich jedenfalls sind sie so logisch, spannend und einleuchtend wie die Geschichten von Sherlock Holmes.

Der Fall Arnolfini ist ein ganz außergewöhnliches Buch, so vergnüglich wie lehrreich, so spannend wie charmant, vor allem aber ein Buch, das seine Wirkung als „Augenöffner“ bei zukünftigen Museumsbesuchen mit Sicherheit nicht verfehlen wird.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main