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Autor
Jelinek, Elfriede; Mahler, Nicolas

Die Unheimlichen: DER FREMDE! störenfried der ruhe eines sommerabends der ruhe eines friedhofs

Untertitel
Ab 16 Jahre
Beschreibung

Das Unheimliche ist das Aufscheinen des Unbekannten im Vertrauten. Schon der Untertitel von Jelineks Prosadebut störenfried der ruhe eines sommerabends der ruhe eines friedhofs deutet es an: dass das Unheimliche, das Grauen nicht von außen, sondern von innen kommt und deshalb nicht ganz verschwinden kann. In der von Isabel Kreitz herausgegeben Reihe Die Unheimlichen hat sich der Comic-Künstler Nicolas Mahler an einer Neubearbeitung von Jelineks Text versucht. Das Heimische und das Unheimliche verschmelzen in Bild und Text so stark, dass man nicht (mehr) wissen kann, ob einem der Fremde oder die Bäckersfrau mehr Angst einjagen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Carlsen Verlag, 2018
Format
Gebunden
Seiten
64 Seiten
ISBN/EAN
978-3-551-71349-0
Preis
12,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Autorin
Elfriede Jelinek (geboren am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag) ist eine österreichische Schriftstellerin, die in Wien und München lebt. Im Jahr 2004 erhielt sie den Literaturnobelpreis für „den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen“.

Illustrator
Nicolas Mahler lebt und arbeitet als Comiczeichner und Illustrator in Wien. Seine Comics und Cartoons erscheinen aktuell in Zeitungen und Magazinen wie DIE ZEIT, NZZ am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und in der Titanic.

Zum Buch:

Elfriede Jelinek schrieb diese Gruselgeschichte für eine von Peter Handke herausgegebene Anthologie im Jahre 1969. Die Neubearbeitung durch Nicolas Mahler kürzt den Text auf einige Sätze, die jedoch zum Kern der Angst vordringen, in dem das Bild des Bekannten im Fremden aufscheint und umgekehrt.

Von Anfang begegnet der Leserin jene Zwiespältigkeit des Fremden, der zum einen das Dorf kennt, „denn er ist hier aufgewachsen“, aber noch nie von einem der Dorfbewohner gesehen wurde. Mahler gibt seinem Comic einen Rahmen, wenn es korrespondierend dazu am Ende heißt: „verschiedene menschen atmen erleichtert auf. es ist als ob der fremde nie da gewesen wäre. das gegenteil ist in wahrheit der fall.“ Als große Gemeinsamkeit zwischen Mahlers und Jelineks Arbeit ist mehrfach auf ihre Nähe zum Kino hingewiesen worden. Das ist dem Umstand geschuldet, dass beide vermehrt mit Bildausschnitten arbeiten, bei denen Entscheidendes unsichtbar oder verschwommen bleibt. Etwa wenn es heißt: „ein arm wird im hellen licht des türrahmens sichtbar. wo bleibt der dazugehörige körper?“ Vielleicht ist es diese ständig unterbrochene, lückenreiche Erzählweise, in der Handke „den Horror nicht als Inhalt sondern als Methode“ erkannte. Nicht nur ist der Fremde in diesem Comic ein Gestaltwandler, man hat auch den Eindruck, dass sich das Grauen in den anderen Figuren fortsetzt. Als Gegenpart zum Unheimlichen gelingt es Mahler, Jelineks an Kalauern geschulten Humor in die Geschichte zu übertragen: „der fremde macht eine wegwerfende handbewegung und zwei wegwerfende fußbewegungen.“

Es ist nichts Neues, dass sich bei der Lektüre eines Jelinek-Textes immer wieder die Frage stellt, wie man sie lesen soll. Mit einem einfachen Durchlesen ist es nicht getan; man muss es immer wieder tun und sich auf die Stimmung des Textes einlassen. Gerade deshalb ist die Bearbeitung durch Nicolas Mahler so gelungen. Seine Bilder ergänzen den Text nicht um eine fassbare Geschichte, sondern führen die Ebene des Abstrakten und Verschwommenen weiter. Mahlers Bilder und Jelineks Sätze fordern im gleichen Maße, dass man länger bei ihnen verweilt und öfter zu ihnen zurückkehrt. Diesem dünnen Buch werden Sie mit einmaligem Lesen/Betrachten nicht den Raum geben, den es benötigt.

Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt