Zum Buch:
Die Namen der Geheimdienste Mossad (was einfach „Institution“ bedeutet) sowie seiner Schwesterbehörde Schin Bet (die Anfangsbuchstaben von Scherut Bitachon, „Sicherheitsdienst“) auch nur laut in der Öffentlichkeit auszusprechen, war bis hinein in die 1960er Jahre strengstens verboten. Und da sie offiziell nicht existierten, bedurfte es auch keinerlei gesetzliche Grundlagen für die von ihnen ausgeführten Operationen. Sie standen allein unter dem direkten Kommando des jeweiligen Ministerpräsidenten, was bedeutete, sie konnten von Beginn ihrer Entstehung an in einer Art Schattenreich tätig sein – abseits jeglicher Kontrollen und ohne Aufsicht des Parlaments.
Diese Tatsache war auch nötig und absolute Voraussetzung für jenen Krieg, den sie im Schatten führten und nur dort führen konnten. Nur dort ließen sich ihre Methoden zu solch einer Perfektion entwickeln.
Mussten sich die gedungenen Mörder, die Attentäter des Mossads, in ihrer Entstehungszeit noch damit begnügen, mit Messern, Stahlrohren, einfachen Bomben oder schlecht funktionierenden Handfeuerwaffen zu „arbeiten“, verbesserten sich im Lauf der Jahre und mit zunehmender Intensität ihrer Operationen die Ausbildung ebenso wie das Werkzeug, so dass heute hochspezialisierte Elitesoldaten im In- und Ausland tätig sind und sogar mit vergifteter Zahnpasta oder Drohnen töten. Denn darauf lief es immer hinaus: Die gezielte Exekution eines „Feindes Israels“. Nicht selten als reine Präventivmaßnahme.
Um an dieses Ziel zu gelangen, war sich der Mossad auch nicht zu schade, schon mal ehemalige Angehörige der SS, die auf der Liste der von Simon Wiesenthal gejagten Kriegsverbrecher standen, einzuspannen und mit Straffreiheit und horrenden Geldbeträgen zu ködern.
Das Buch, das der renommierte Autor und Journalist Ronen Bergman hier vorgelegt hat, liest sich von der ersten Seite an wie die Aneinanderreihung gleich mehrerer Spionagekrimis. Manchmal möchte man sich wünschen, dass dem auch so sei, denn sich vorzustellen, dass dieses oder jenes genau so geschehen sein soll, kann man (oder will man) sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Man lernt auch ungemein schnell viel Interessantes und Neues über die Entstehung Israels, über den ewigen Kampf mit der PLO sowie über die Biografien von bekannten Ministerpräsidenten, ehemaligen Mossad-Agenten, die Dreck und Blut an ihren Fingern kleben hatten und haben. Die Recherche zu diesem Buch muss ein Gewaltakt gewesen sein, anders kann man sich das anhand der Fülle von Informationen und Insiderwissen nicht denken.
Von den 800 Seiten sollte man sich keineswegs abschrecken lassen, Schattenkrieg liest sich unglaublich gut und schnell. Für mich mit weitem Abstand das interessanteste Sachbuch der letzten Jahre.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln