Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Franck, Julia

Lagerfeuer

Untertitel
Roman
Beschreibung

Das Buch führt uns zurück in die Zeit der späten 70er Jahre, als trotz aller Entspannungspolitik die Konfrontation der beiden Blöcke Ost und West vorherrschte.

Verlag
dtv, 2005
Format
Taschenbuch
Seiten
330 Seiten
ISBN/EAN
978-3-423-13303-6
Preis
9,90 EUR

Zum Buch:

In West-Berlin wurden Flüchtlinge aus dem Osten manchmal für Monate oder gar Jahre in einem „Notaufnahmelager“ untergebracht.Das Leben in den Notaufnahmelagern war völlig trostlos: auf äußerst beengtem Raum, mit streng begrenzten Essensrationen, abstoßenden hygienischen Zuständen. Hier leben die vier Hauptfiguren dieses Romans: die Polin Krystyna, eine Musikerin, die für die Übersiedlung ihr wertvolles Cello verkaufen mußte; der aus einem DDR-Gefängnis freigekaufte Oppositionelle Hans, der bereits seit mehreren Jahren im Lager lebt; der US-amerikanische Geheimdienstler John, dessen Beruf es ist, die Flüchtlinge auf eventuell eingeschleuste Spitzel zu durchleuchten; und Nelly mit ihren beiden kleinen Kindern. Nelly war in der DDR mit dem Russen Batalow liiert, Vater ihrer Kinder, verwickelt in geheimdienstliche Tätigkeit und auf ominöse Weise ums Leben gekommen oder “verschwunden”. Das Buch setzt ein, als Nelly endlich die DDR verlassen darf und an der Grenze noch einmal von den DDR-Beamten mit arroganter Gründlichkeit durchgeprüft wird: stundenlanges Warten, kalt-höhnische Verhöre mit immer den gleichen Fragen, schließlich die von einem Stasi-Arzt vollzogene Intim-Inspektion. (Gerade dieses Eingangskapitel ist eine erzählerische Glanzleistung!) Angekommen im Westen werden allerdings die Vernehmungen durch die verschiedenen Geheimdienste weitergehen, und das Warten wird sich auf Monate im Aufnahmelager ausdehnen. Julia Franck gelingt es, die vier Schicksale, die zunächst vereinzelt dastehen und am Ende des Buches auch wieder auseinandergehen werden, geschickt zu verbinden. Dabei schlüpft sie als Erzählerin kapitelweise in die Ich-Rolle der jeweiligen Person. Es entstehen dabei äußerst intensive Passagen von atemloser Dichte, mit großer Genauigkeit geschilderte Momentaufnahmen, die den Leser in die Geschichte hineinziehen und doch nie ihr Geheimnis preisgeben. Wer allerdings einen “richtigen” Roman, mit einem “richtigen” Anfang und Ende wünscht, wird hier nicht bedient. Die Autorin verweigert sich dem etwaigen Bedürfnis eines Lesers, der die dargestellten disparaten Ereignisse in einen “sinnstiftenden” Zusammenhang eingefügt sehen möchte. Wolfgang Kiekenap, Ypsilon Buchladen & Café, Frankfurt.